Zu Recht wird das Urt. des LG Hamburg zwischenzeitlich in zweiter Instanz überprüft. Es ist insbesondere in seiner Eindeutigkeit gelinde gesagt verkürzt bzw. wenig reflektiert, was die Praxis der Nachlasspflegschaft betrifft. Für diese, letztlich aber auch die der Insolvenzverwaltung, wäre gar eine zwischen Erbrechts- und Insolvenzrechtssenat abgestimmte Entscheidung des BGH begrüßenswert.

Denn während die wohl h.M. (siehe exemplarisch Bork/Hölzle/Böhm, Handbuch Insolvenzrecht, Kap. 18 Rn 43 m.w.N.) im Insolvenzrecht dem Nachlasspfleger, wie vorliegend auch das LG Hamburg, eine Pflicht zur unverzüglichen Insolvenzantragstellung "durch die Hintertür" aufzwängt, ist dies erbrechtlich betrachtet in Theorie (z.B. Palandt/Weidlich, 80. Aufl. 2021, § 1980, Rn 3) und Praxis nicht ohne Weiteres so. Eine vermittelnde Auffassung (jüngst ausführlich dazu Weiß, Der rechtzeitige Insolvenzantrag des Nachlasspflegers: Wieso dieser jedenfalls mitunter sehr sinnvoll ist, ZErb 2021, 168) sieht hingegen die Sinnhaftigkeit eines frühzeitigen bzw. zu einem sinnvollen Zeitpunkt durch den Nachlasspfleger gestellten Insolvenzantrags in entsprechend gelagerten Fällen als gegeben an. Bei einer solchen Obliegenheit zur Insolvenzantragstellung durch den Nachlasspfleger in vereinzelten Fällen sollte es jedenfalls bis zu einer (höchstrichterlichen) Klarstellung bleiben:

Das BGB ist da eindeutig – und es normiert zunächst nur in § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB eine unverzügliche Insolvenzantragspflicht des Erben den Nachlassgläubigern gegenüber. Und zwar erst ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Erben von der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Nachlasses. Das LG Hamburg bürdet diesbezüglich dem Nachlasspfleger – contra legem – mehr als einem Erben auf. Bei einem Erben steht gem. § 1980 Abs. 2 S. 1 BGB die auf Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis der Kenntnis gleich auf. Dies setzt aber insgesamt und unstreitig eine endgültige Erbenposition voraus! Und somit – abermals – einen anderen Anwendungsfall als den einer Nachlasspflegschaft i.S.v. § 1960 oder gar § 1961 BGB. Der Nachlasspfleger ist bekanntlicherweise gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben oder sogar nur der’"vielleicht-Erben". Man denke allein an die Möglichkeit der von Nachlasspfleger ermittelten Erben zur Ausschlagung (§§ 1942 ff. BGB). Zudem gäbe es für diese diverse (erbrechtliche) Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung (dazu sehr umfassend und illustrativ Roth/Gerhardt, Praxishandbuch Erbenhaftungsbeschränkung, 2020) bis hin zum Erbschaftskauf (§ 330 InsO). Sodass für den Erben ein Schutzbedürfnis qua rechtzeitiger Insolvenzantragstellung auch entfiele.

Im Übrigen: Ist die unbeschränkte Erbenhaftung des unbedingten Erben eingetreten, gilt selbst für diesen keine Insolvenzantragspflicht mehr (§ 2013 Abs. 1 BGB). In dem Fall/ab dem wird der Erbe infolge allen natürlichen Personen gleichgestellt. Für diese besteht auch nach der Insolvenzordnung unstreitige keine (insolvenzrechtliche) Antragspflicht, aber ein Antragsrecht (§§ 13 ff. InsO). Für den Nachlasspfleger normiert ein solches sogar § 317 Abs. 1 Alt. 3 InsO.

Über die Vorschriften der §§ 1984 f. BGB finden sich für den Nachlassverwalter nicht nur Analogien zur Insolvenzordnung; sondern auch eine zweite, explizit normierte Pflicht zur unverzüglichen Insolvenzantragstellung.

Diese zwei gesetzgebereichen Entscheidungen insgesamt verkennen die hier mitgeteilte und angemerkte Entscheidung bereits im Grundsätzlichen. Sie entspricht darüber hinaus auch der Realität der Nachlasspflegschaft schon insofern nicht, als z.B. die von den Gerichten mit der Bestallungsurkunde einem Nachlasspfleger ausgehändigten Hinweise u.a. zur gewissenhaften und treu ausschließlich im Interesse der Erben vorzunehmenden Amtsführung verpflichten. Zu Beginn der Nachlasspflegschaft ist demnach der Nachlass zu sichern, ein Vermögensverzeichnis zu führen, in dem die Vermögenswerte sowie Schulden des Erblassers aufzuführen sind. Falls der Nachlass überschuldet sein sollte, kann vom Nachlasspfleger demnach in der Regel ein Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen sein. Eine weitere Aufgabe des Nachlasspflegers ist die Erbenermittlung.

Exkurs: Es ist davon auszugehen, dass diese Hinweisblätter, insbesondere was die "Insolvenzantragspflicht" betrifft, dementsprechend bewusst formuliert sind. Im Übrigen kommt dem Wortlaut solcher Hinweisblätter nach nur der Insolvenzgrund der Überschuldung als möglicher Auslöser infrage (so exemplarisch auch Siebert/Siebert, Nachlasspflegschaft, 6. Aufl., Rn 120 m.w.N. ["… ,sofern die übrigen Voraussetzungen hierfür vorliegen."] u. Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 5. Aufl., Rn 603 m.w.N.). § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO stuft (Entgelt-) Ansprüche eines Nachlasspflegers zu (besonderen) Masseverbindlichkeiten hoch. Anfechtbar sind indes nur Zahlungen/Befriedigungen, die einfache Insolvenzgläubiger i.S.d. §§ 129 ff., 38 InsO erhalten.

Zudem darf die Nachlasspflegschaftspraxis auch von der (rein) insolvenzrechtliche...

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