Die zulässige Klage ist begründet.

I. Der Kläger kann von dem Beklagten Schadensersatz i.H.v. 8.862,75 EUR nebst Zinsen verlangen.

1. Die unbekannten Erben des H.- W. E. R. haben gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1833 Abs. 1 S. 1 BGB (a). Diesen kann der Kläger in seiner Eigenschaft als Nachlassinsolvenzverwalter geltend machen, da der Anspruch zum Nachlass gehört (b).

a) Die Voraussetzungen der §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1833 Abs. 1 S. 1 BGB sind gegeben. Der Beklagte hat eine Pflicht aus der Nachlasspflegschaft verletzt (aa). Er handelte schuldhaft (bb) und verursachte dadurch einen Schaden bei den unbekannten Erben des H.- W. E. R. (cc). Der Anspruch ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Vergütung des Beklagten rechtskräftig durch das Nachlassgericht festgesetzt wurde (dd).

aa) Indem der Beklagte es bis zum 24.9.2018 unterließ, die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen und bis dahin weitere vergütungspflichtige Tätigkeiten zur Nachlasssicherung vornahm, verletzte er seine Vermögenserhaltungspflichten i.S.v. § 1833 Abs. 1 S. 1 BGB gegenüber dem Nachlass.

Die Hauptpflicht des Nachlasspflegers gegenüber den Erben besteht darin, den Nachlass zu sichern und zu erhalten. Daraus kann sich im Einzelfall auch die Verpflichtung zur Beantragung der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ergeben. Der Nachlasspfleger ist zwar, anders als der Nachlassverwalter (§§ 1980 Abs. 1 S. 1, 1985 Abs. 2 S. 2 BGB), grundsätzlich lediglich zur Antragstellung berechtigt (§ 317 Abs. 1 InsO) und nicht verpflichtet. Liegt jedoch ein Eröffnungsgrund gem. § 320 InsO vor (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) und ist die Antragstellung geboten, um eine Verkürzung des Nachlasses abzuwenden, wandelt sich dieses Antragsrecht in eine Antragspflicht (BGH NJW 2005, 756, 758; ZEV 2011, 544, 546). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Der Nachlass war bereits seit dem Tod des Erblassers überschuldet und spätestens am 15.12.2017 trat auch Zahlungsunfähigkeit ein. Ein Eröffnungsgrund lag damit vor. Auch der Beklagte hatte bereits mit Bericht vom 20.12.2017 festgestellt, dass der Nachlass überschuldet war. Ab diesem Zeitpunkt hätte er praktisch die Möglichkeit gehabt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, denn dafür hätte es lediglich der’substantiierten Darlegung der Überschuldung bedurft (vgl. BGH ZEV 2007, 587).

Die Antragstellung wäre zum Schutz des Nachlasses geboten gewesen. Die Vergütung des Beklagten für Tätigkeiten, die ab dem 21.12.2017 erbracht wurden, führte zu einer vermeidbaren Verkürzung des Nachlasses. Denn hätte der Beklagte den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtzeitig gestellt, hätte er ab diesem Zeitpunkt keine weiteren vergütungsrelevanten Tätigkeiten zur Sicherung und Erhaltung des Nachlasses vornehmen dürfen.

Zwar trifft es zu, dass der Nachlasspfleger auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Aufgabe betraut ist, die Rechte der Erben zu wahren. Sein Wirkungskreis beschränkt sich jedoch im Wesentlichen auf die Vertretung der Erben im Insolvenzverfahren (OLG Stuttgart NZI 2012, 864; MüKo/Leipold, BGB, 8. Aufl. 2020, § 1960 Rn 64). Anders als der Beklagte meint, sind ihm Tätigkeiten zur Beseitigung oder Minderung der Überschuldung bzw. zur weiteren Sicherung des Nachlasses ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zugewiesen. Diese Tätigkeiten erbringt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vielmehr der Insolvenzverwalter.

bb) Der Beklagte handelte spätestens ab dem 21.12.2021 fahrlässig (§ 276 BGB) im Hinblick auf die unterlassene Insolvenzantragstellung, da er am 20.12.2021 die Überschuldung des Nachlasses nach eigenen Angaben bereits festgestellt hatte.

cc) Den Erben ist dadurch auch ein Schaden entstanden.

Ob und inwieweit ein ersatzfähiger Schaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (Differenzhypothese; st. Rspr. BGH, etwa NJW 2018, 541, 542).

Hätte sich der Beklagte nicht pflichtwidrig verhalten, wäre der Nachlass um 8.862,75 EUR weniger belastet worden. Dieser Betrag entspricht der Vergütung für den vermeidbaren Tätigkeitsaufwand des Beklagten ab dem 21.12.2017 (121,17 Stunden abzüglich drei Stunden für die Stellung des Insolvenzantrags, also 118,17 Stunden à 75,00 EUR).

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Nachlass durch die Tätigkeiten des Beklagten Vermögenswerte zugeflossen sind, die die Belastung um die Nachlasspflegervergütung kompensiert hätten. Die nach dem 20.12.2017 durch den Beklagten erbrachten Tätigkeiten hätte auch der Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vornehmen können, ohne dass dies zu einer Schmälerung des Nachlasses geführt hätte.

Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich die Vergütung des Insolvenzverwalters nicht nach zeitlichem Aufwand bemisst, sondern allein nach dem Wert der Insolvenzmasse (§ 1 Abs. 1 InsVV). Eine geringere tatsächliche Ar...

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