1. Vorsorgevollmacht

Das ZGB enthält derzeit keine Regelungen über die private Vorsorge durch Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Es ist jedoch beabsichtigt, das ZGB zu reformieren, wobei künftig die Selbstvorsorge im Vordergrund steht. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde am 27.9.2007 durch den Ständerat verabschiedet.[6]

Er sieht vor, dass eine handlungsfähige (= geschäftsfähig iSd § 104 BGB) Person eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen bezeichnen kann, die im Falle ihrer Urteilsunfähigkeit ihre Interessen wahren und sie im Rechtsverkehr vertreten sollen (Art. 360 Abs. 1 E-ZGB). Diese generelle Bestimmung gilt für alle Bereiche des Lebens, nicht nur für medizinische Maßnahmen. Dieser allgemeine Vorsorgeauftrag muss öffentlich beurkundet oder bei einer vom Kanton bezeichneten Stelle zu Protokoll gegeben werden und es wird ein Register geführt (Artikel 361 Abs. 1 ff E-ZGB).

Vom allgemeinen Vorsorgeauftrag zu unterscheiden ist der Vorsorgeauftrag für medizinische Maßnahmen (Artikel 370 ff E-ZGB). Eine urteilsfähige volljährige Person kann schriftlich eine oder mehrere natürliche Personen bezeichnen, die im Falle ihrer Urteilsunfähigkeit in ihrem Namen die Zustimmung zu medizinischen Maßnahmen erteilen sollen. Sie kann Vorgaben für die Ausübung des Zustimmungsrechts machen (Artikel 370 Abs. 1 und 2 E-ZGB). Im Gegensatz zum allgemeinen Vorsorgeauftrag ist ein Registereintrag nicht vorgesehen.

[6] Dokumentation auf der Website des Parlaments unter www.parlament.ch zu Geschäfts-Nr. 06.063 des Ständerates; zum Vorentwurf siehe www.bj.admin.ch unter Dokumentation.

2. Patientenverfügung

In der Schweiz gibt es derzeit weder im ZGB noch im StGB eine nationale Regelung für die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen. Ebenso wie im deutschen Recht sind vorsätzliche Tötung (Artikel 111 StGB), Tötung auf Verlangen (Artikel 114 StGB) und Totschlag (Artikel 113 StGB) strafbar.

Erlaubt sind hingegen die indirekte Sterbehilfe und die passive Sterbehilfe. Diese Form der Sterbehilfe betrachten auch die Richtlinien über die Sterbehilfe der schweizerischen Akademie der Wissenschaften (SAMW-Richtlinien) als zulässig.[7] Ebenso erlaubt ist die Beihilfe zum Selbstmord, auch "Suizidhilfe" genannt. Nur wer aus "selbstsüchtigen Beweggründen" jemandem zum Selbstmord Hilfe leistet (z. B. durch Beschaffung einer tödlichen Substanz), wird nach Artikel 115 StGB bestraft. Bei der Suizidhilfe geht es darum, dem Patienten die tödliche Substanz zu vermitteln, die der Suizidwillige ohne Fremdeinwirkung selbst einnimmt. Organisationen wie Exit leisten danach straffreie Suizidhilfe, solange ihnen keine selbstsüchtigen Motive vorgeworfen werden können. Nach den SAMV-Richtlinien ist die Beihilfe zum Suizid kein Teil der ärztlichen Tätigkeit.

Auch die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen betreffend ist eine Regelung im Entwurf zum ZGB vorgesehen (Artikel 373 E-ZGB). Danach kann eine urteilsfähige Person schriftlich in einer Patientenverfügung festlegen, welche medizinische Behandlung sie im Falle ihrer Urteilsunfähigkeit wünscht oder ablehnt (Artikel 373 Abs. 1 E-ZGB). Die Verbindlichkeit wird von ihrer Klarheit und konkreten Beschreibung der genannten Situation abhängig gemacht. Gemäß Artikel 373 Abs. 2 E-ZGB gilt eine hinreichend klare Patientenverfügung als Zustimmung zu einer Behandlung oder als deren Ablehnung, wenn die in Aussicht genommene Situation tatsächlich eintritt. Für die übrigen Fälle gilt die Patientenverfügung als Vorgabe für die vertretungsberechtigte Person oder, bei Dringlichkeit, für den behandelnden Arzt oder die behandelnde Ärztin.

Bestehen allerdings begründete Zweifel daran, dass die Patientenverfügung noch dem mutmaßlichem Willen der betroffenen Person entspricht oder auf deren freiem Willen beruht, so hat sie keine Wirkung (Artikel 373 Abs. 3 E-ZGB).

Ein zentrales Register für Patientenverfügungen oder eine Pflicht der behandelnden Ärzte, sich nach einer Patientenverfügung zu erkundigen, werden in dem Gesetzentwurf ausdrücklich ausgeschlossen (Artikel 373 Abs. 4 E-ZGB). Der Betroffene muss selbst dafür sorgen, dass die Adressaten davon Kenntnis erhalten. Weitere Bedingungen für die Wirksamkeit der Patientenverfügung werden nicht aufgestellt.

[7] Medizinisch-ethische Richtlinien für die ärztliche Betreuung Sterbender und cerebral schwerstgeschädigter Patienten unter www.euroethiks.de/htlm_5.htm.

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