I. Kein Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB

§ 2065 BGB regelt die materielle Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen und ergänzt damit die in § 2064 BGB enthaltene formelle Höchstpersönlichkeit.[8] § 2065 Abs. 2 BGB bezweckt sicherzustellen, dass die Entscheidung über das Schicksal des Nachlasses nicht von Personen getroffen wird, die sich der Verantwortung für die Verwendung dieses Vermögens gar nicht als Inhaber desselben bewusst werden konnten.[9]

Von diesem Grundsatz enthalten die §§ 2151 bis 2156 BGB weitreichende Ausnahmen. Deren Zweck und Berechtigung ergibt sich in systematischer Zusammenschau mit § 2065 Abs. 2 BGB. Sie beruhen auf der gegenüber der Erbenstellung geringeren Bedeutung des Vermächtnisses und darauf, dass kein entgegenstehendes Interesse der Nachlassgläubiger zu berücksichtigen ist, da der Vermächtnisnehmer selbst nur Nachlassgläubiger ist.[10]

Die Möglichkeiten in den §§ 2151 und 2152 BGB, den Bedachten durch einen Dritten bestimmen zu lassen, lassen sich mit den Möglichkeiten des § 2153 BGB zur Festlegung der Anteile der Vermächtnisnehmer am Vermächtnis und den §§ 2154 bis 2156 BGB kombinieren, bei denen ein Dritter den konkreten Vermächtnisgegenstand bestimmt.[11]

Schließlich kann der Bestimmungsberechtigte gemäß § 2181 BGB den Zeitpunkt der Vermächtniserfüllung bestimmen. Unter Berücksichtigung des in § 271 Abs. 2 BGB bestimmten Grundsatzes kann der Beschwerte bei einer bloßen Anordnung des § 2181 BGB das Vermächtnis zu seinen Lebzeiten erfüllen, der Vermächtnisnehmer die Erfüllung aber nicht vor dem Tod des Beschwerten verlangen.[12]

[8] Otte, in: Staudinger, Neubearb. 2013, § 2065 BGB Rn 1 f.
[9] Otte, in: Staudinger, Neubearb. 2013, § 2065 BGB Rn 2; DNotI-Report 2010, 3.
[10] Rudy, in MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 2151 Rn 2.
[11] Keim, ZEV 2016, 6, 7; Rudy, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 2151 Rn 2; Schmidt, BWNotZ 1998, 97, 101; Weidlich, in: Palandt, BGB, 78 Aufl. 2019, § 2151 Rn 1. Einen tabellarischen Überblick zu den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten geben Horn/Mayer in: Kroiß/Horn/Mayer, Erbrecht, 5. Aufl. 2018, § 2151 BGB Rn 22.
[12] Ebeling, ZEV 2000, 87, 88.

II. Anforderungen der §§ 2151 ff. BGB

1. Anforderungen an die Bestimmung des Bedachten gemäß § 2151 BGB

Gemäß § 2151 Abs. 1 BGB kann der Erblasser mehrere Personen mit einem Vermächtnis in der Weise bedenken, dass der Beschwerte oder ein Dritter zu bestimmen hat, wer von den Mehreren das Vermächtnis erhalten soll.

Nach dem Wortlaut muss der Erblasser jedenfalls "mehrere" bestimmen. Dies erfordert, dass der Personenkreis, aus dem der Bedachte kommen soll, vom Erblasser hinreichend genau bestimmt sein muss und nicht völlig in das Belieben des Bestimmungsberechtigten gestellt werden darf.[13] Dabei darf auch die Zahl der zu diesem Kreis gehörenden Personen nicht zu weit ausgedehnt werden, da sich aus der systematischen Zusammenschau mit § 2151 Abs. 3 BGB ergibt, dass sie Gesamtgläubiger sind, wenn die Bestimmung nicht erfolgt.[14]

Dem Kreis der Mehreren können auch der Erbe, der Beschwerte und selbst der Bestimmungsberechtigte angehören, wenn dies in letzterem Fall zweifellos dem Willen des Erblassers entspricht.[15]

Zu beachten ist, dass die nach § 2151 Abs. 1 BGB auswählbaren Personen überwiegend als auflösend bedingte Vermächtnisnehmer angesehen werden.[16] Wird eine Bestimmung aus ihrem Kreis nicht vorgenommen, so sind sie nach § 2151 Abs. 3 BGB Gesamtgläubiger des Vermächtnisses. Nimmt man an, dass es sich bei der Bestimmung, wer von ihnen Vermächtnisnehmer werden soll, um eine auflösende Bedingung handelt, so sind sie Vorvermächtnisnehmer und der oder die letztlich Bestimmte(n) Nachvermächtnisnehmer. Soweit ersichtlich wird bislang jedoch nicht diskutiert, wie sich dies im Rahmen von § 6 Abs. 4 ErbStG auswirkt.[17] Eine solche streng dogmatische Auffassung könnte jedoch eine Möglichkeit für die Finanzverwaltungen sein, die gewählte Konstruktion anzugreifen und § 6 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 und 2 ErbStG anzuwenden, was jedenfalls zu einer ungünstigen doppelten Besteuerung führen würde.

Weiterhin statuiert § 2151 Abs. 3 S. 2 BGB das Recht eines jeden der mehreren Bedachten, beim Nachlassgericht zu beantragen, dass dieses dem Bestimmungsberechtigten eine Frist zur Abgabe der Bestimmungserklärung setzt. Unterbleibt eine fristgerechte Bestimmung, so werden die Mehreren nach § 2151 Abs. 3 S. 1 BGB ebenfalls Gesamtgläubiger. Aus dieser Rechtsfolge ergibt sich, dass es sich bei dem Recht, die Bestimmung zu fordern, nicht um ein klagbares Recht handelt.[18] Dementsprechend wird zu Recht angenommen, dass der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung dem Bestimmungsberechtigten eine die Anrufung des Gerichts ausschließende Bestimmungsfrist einräumen und sogar das aus § 2151 Abs. 2 S. 2 BGB folgende Recht ausschließen kann, indem er anordnet, dass derjenige vom Vermächtnis ausgeschlossen wird, der einen Antrag bei Gericht stellt.[19] Letzteres hätte aber negative erbschaftsteuerliche Folgen nach § 6 Abs. 4 ErbStG.[20]

Eine gerichtliche Überprüfung der Ausübung der Bestimmung beschränkt sich darauf zu klären, ob eine wirksame Bestimmungserklärung vorliegt und ob der Bestimmungsbe...

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