Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; dasselbe gilt hinsichtlich der Anschlussberufung. In der Sache hat die Berufung aus den nachfolgenden, bereits im Wesentlichen im Verhandlungstermin des Senats dargelegten Gründen keinen, die Anschlussberufung hingegen in vollem Umfang Erfolg.

1. Der Kläger kann aus keinem Rechtsgrund Erstattung der nicht durch die Pflegekasse abgedeckten und um einen Verpflegungskostenanteil reduzierten Heimkosten iHv insgesamt 5.297,35 EUR verlangen.

a) Eine Verpflichtung zur Erstattung der Kosten der Heimunterbringung der Erblasserin im Zeitraum vom 1. Juni bis 31. Oktober 2015 lässt sich nicht im Wege einer (ergänzenden) Auslegung des notariellen Vertrages vom 13. Juni 1991 begründen.

Grundsätzlich sind Willenserklärungen – und Verträge – gemäß den §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Nach dem Wortlaut des notariellen Vertrages, aber auch unter Berücksichtigung der Interessenlage der Parteien lässt sich die in Ziffer 7 des notariellen Vertrages getroffene Regelung zum "Altenteilsrecht" nicht dahin verstehen, dass für den Fall der Unterbringung der Erblasserin in einem Pflegeheim an die Stelle der von ihrem Sohn übernommenen "Verpflichtung zur Pflege und Versorgung im Krankheitsfall oder sonstiger Hilfsbedürftigkeit" die Tragung der Heimkosten treten sollte. Für ein solches Verständnis bieten die im notariellen Vertrag vom 13. Juni 1991 getroffenen Regelungen keinen Raum. Zu den Begleitumständen und Überlegungen, die zu der Aufnahme des "Altenteilsrechts" in den notariellen Vertrag geführt haben, und die in die Auslegung ggf. hätten einbezogen werden können, teilt der Kläger – auch auf entsprechenden Hinweis des Senats im Termin – nichts mit.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts lässt sich der notarielle Vertrag indes auch im Wege der ergänzenden Auslegung nicht dahin auslegen, dass der zur Pflege verpflichtete Beklagte im Falle einer (notwendigen) Heimunterbringung der Erblasserin die hierbei entstehenden Kosten für Pflege (und Unterbringung) zu tragen hätte. Richtig geht das Landgericht noch im Ansatz davon aus, dass auch bei einem notariellen Vertrag die ergänzende Vertragsauslegung nicht ausgeschlossen ist, insbesondere gilt die sogenannte Andeutungstheorie nicht, die ansonsten bei formbedürftigen Verträgen verlangt, dass der aus Umständen außerhalb der Urkunde ermittelte rechtsgeschäftliche Wille in der Urkunde einen, wenn auch unvollkommenen Ausdruck gefunden haben muss (dazu BGH, Urteil vom 23. März 1979 – V ZR 24/77).

Die ergänzende Vertragsauslegung setzt voraus, dass der Vertrag eine planwidrige Regelungslücke enthält, die nicht durch das dispositive Recht geschlossen werden kann; ihre Schranke findet die ergänzende Vertragsauslegung dort, wo sie im Widerspruch zum erklärten Parteiwillen oder zum Vertragsinhalt steht oder zu einer (wesentlichen) Erweiterung des Vertragsgegenstandes führt.

Hier trägt der Kläger im Senatstermin zwar (erstmals) vor, die Unterbringung in ein Pflegeheim sei zu DDR-Zeiten keine Option und dies sei nach den Vorstellungen der Vertragsparteien bei dem Vertragsschluss unmittelbar nach der sog. "Wende" nicht anders gewesen. Damit könnte zwar einiges für die Sichtweise, die Vertragsparteien hätten "die außerhäusliche Pflege im Sinne einer Unterbringung in ein Pflegeheim" unbedacht nicht in den notariellen Vertrag aufgenommen, und damit für eine planwidrige Regelungslücke sprechen. Ob im vorliegenden Fall eine Regelungslücke angenommen werden kann, kann allerdings im Ergebnis offenbleiben.

Denn es ist – im Einklang mit der von beiden Parteien zitierten höchstrichterlichen Entscheidung vom 29. Januar 2010 (V ZR 132/09 – Rn 12) – jedenfalls nicht gerechtfertigt, die etwaig vorliegende Regelungslücke dadurch zu schließen, dass der zur Pflege verpflichtete Beklagte bei einer notwendigen Heimunterbringung die entstehenden Kosten zu tragen hat. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn feststünde, dass die Vertragsparteien, hätten sie den nicht geregelten Fall einer (notwendigen) Heimunterbringung der Pflegeberechtigten bedacht, nach ihrem hypothetischen Parteiwillen bei angemessener Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner dem Beklagten die Heimkosten aufgebürdet hätten. Davon kann indes unter den gegebenen Umständen nicht ausgegangen werden.

Dem Vertragstext selbst lässt sich für eine an die Stelle der persönlich vom Sohn der Erblasserin zu erbringenden Pflegeleistungen tretende Pflicht des Beklagten, die Pflegeheimkosten zu übernehmen, nichts entnehmen. Der notarielle Vertrag gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Pflegeleistungen nicht in der Erwartung übernommen wurden und übernommen werden sollten, dass der Beklagte sie selbst oder durch nahe Angehörige erbringt. Für ein solches Verständnis, d. h. dafür, dass die Pflege- und Versorgungsleistungen persönl...

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