Ein Beispiel soll dies veranschaulichen:

 
Praxis-Beispiel

Sohn A beantragt nach dem Tod seines verwitweten Vaters einen Alleinerbschein, obwohl ungewiss ist, ob sein Bruder B (der seit vielen Jahren unbekannt verzogen ist) gegebenenfalls Miterbe zu ½ wäre. Drei Lösungen sind denkbar:

(1) Sind einzelne Erben bekannt (hier: A) und beantragen sie einen Erbschein, kann ihnen auf Antrag ein Teil-Erbschein erteilt werden (§ 2353 BGB); für die anderen (unbekannten) Erben (hier: B) könnte nach § 1960 BGB vom Nachlassgericht von Amts wegen ein Teil – Nachlasspfleger zwecks Teil-Verwaltung und Erbensuche bestellt werden, obwohl das Sicherungsbedürfnis zweifelhaft ist; denn es genügt, "wenn der Erbe unbekannt ist und dieser ohne Ermittlung durch das Nachlassgericht bzw. durch einen Nachlasspfleger niemals Kenntnis vom Anfall der Erbschaft erhalten würde".[22] Mit diesem Teil-Pfleger könnte A die Erbauseinandersetzung durchführen.

Falls A die Bestellung eines Nachlasspflegers nach § 1961 BGB beantragt, wird sein Antrag oftmals abgelehnt werden, da § 1961 BGB Ansprüche "gegen den Nachlass" schütze, der Auseinandersetzungsanspruch (§ 2042 BGB) sich aber "gegen den Miterben" richte.[23] Wenn die Erbenermittlung des Nachlasspflegers N erfolglos ist, hinterlegt N den hälftigen Erbanteil des B beim Amtsgericht (Hinterlegungsstelle); nach Ablauf der Hinterlegungsfrist behält der Staat das Geld, also die Hälfte des Nachlasses (außer, A wurde zuvor noch als Erbe der restlichen Hälfte festgestellt, etwa weil B nach dem VerschG für tot erklärt wurde).

(2) A kann ein Todeserklärungsverfahren hinsichtlich seines Bruders B beantragen. Ein rechtliches Interesse ist dafür erforderlich (§ 16 Abs. 2c VerschG). Ist der Antrag zulässig, wird ein Aufgebot erlassen und im eBAnz veröffentlicht; dort sind unter "Todeserklärung" (Amtsgerichtsaktenzeichen UR II) überraschend viele Todeserklärungen veröffentlicht. Nach rechtskräftiger Todeserklärung des B (ein langwieriges Verfahren) erhält A einen Allein-Erbschein.

(3) Wird dagegen nach § 352d FamFG vorgegangen, erhält A ohne Weiteres den begehrten Alleinerbschein und damit den ganzen Nachlass.

[22] OLG München FGPrax 2018, 284; OLG Hamm FamRZ 2015, 2196; a.A. OLG Düsseldorf FGPrax 2019, 182, das ein konkretes Sicherungsbedürfnis verlangt.
[23] OLG Braunschweig BeckRS 2019, 27014; OLG Düsseldorf FGPrax 2019, 182. Meines Erachtens zweifelhaft.

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