Der Erblasser will manchmal nicht nur seinen Erben einsetzen, sondern auch, dass nach dem Tod des Erben sein Nachlass an eine weitere Person fällt. Juristisch beraten setzt er den B zum Vorerben ein und den C (ab dem Tod es Vorerben, vgl. § 2106 BGB) zum Nacherben. Darüber aufgeklärt, dass ein Vorerbe zum Schutz des Nacherben zahlreichen Beschränkungen unterliegt (§§ 2113 ff BGB; insbesondere scheidet faktisch eine Verfügung über Grundstücke aus, § 2113 I BGB) entscheidet sich der Erblasser dann dafür, eine "befreite" Vorerbschaft (§ 2136 BGB) anzuordnen. Er weiss nicht, dass damit wenig gewonnen ist.

Denn auch der befreite Vorerbe unterliegt Beschränkungen, die ihm der Erblasser möglicherweise nicht auferlegen will. Es gelten z. B. trotz "Befreiung": das Schenkungsverbot (§ 2113 II BGB); der Grundsatz der Surrogation (§ 2111 BGB); Einwilligungspflicht (§ 2220 BGB); die Pflicht, dem Nacherben auf Verlangen ein Nachlassverzeichnis vorzulegen (§ 2221 BGB); die Pflicht des Vorerben, den Zustand des Nachlasses feststellen zu lassen (§ 2122 BGB); die Pflicht, die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen (§ 2124 BGB). Positiv ist aus der Sicht des Erblassers lediglich die Einschränkung der Zwangsvollstreckung von Eigengläubigern des Vorerben (§ 2115 BGB); das andere hat nur Ärger zur Folge.

Der Erblasser kann allerdings den Vorerben von einzelnen dieser Pflichten befreien;[1] es gibt also drei Formen des Verhältnisses zwischen Vor- und Nacherben (befreite, nicht befreite, Mischform). Aber die Form, dass der Vorerbe mit der Erbschaft beliebig verfahren kann, ist im BGB nicht vorgesehen.

Die Lösung für das Vorhaben des Erblassers scheint in § 2137 I BGB zu liegen: "Hat der Erblasser den Nacherben auf dasjenige eingesetzt, was von der Erbschaft bei dem Eintritt der Nacherbfolge übrig sein wird, so gilt die Befreiung von allen in § 2136 bezeichneten Beschränkungen und Verpflichtungen als angeordnet".

§ 2137 I BGB wird meist als Auslegungsregel[2] aufgefasst, von den aA als Ergänzungsnorm, die keine andere Auslegung zulässt.[3] Jedenfalls besteht Einstimmigkeit, dass die Vorschrift nicht nur den (seltenen) Fall betrifft, dass der Erblasser im Testament ausdrücklich diesen Satz schreibt.[4] Auch ähnliche Formulierungen können genügen. Trotzdem stellt § 2137 I BGB den Satz einer gewöhnlichen Befreiung des Vorerben nach § 2136 BGB gleich, auch im Erbschein (§ 352 b I 2 FamFG), was im Regelfall nicht dem Willen des Erblassers entspricht und auch nicht zum Wortlaut passt. Denn "übrig sein wird" täuscht vor, dass der Vorerbe in der Zwischenzeit machen kann was ihm gefällt. Wer testiert, dass der Erbe mit der Erbschaft machen kann, was er will, und dass den Rest der C bekommt, gestattet auch, dass der Erbe alles verschenkt; das kann kein "befreiter" Vererbe. Das BGB übertreibt hier den Schutz des Vorerben. Schon das römische Recht glaubte, den Nacherben schützen müssen; nach justinianischem Recht musste der befreite Vorerbe mindestens 1/4 des Nachlasses für den Nacherben aufbewahren.[5]

[1] OLG Düsseldorf ZEV 2017, 234; KGJ 1912, 77 = BeckRS 1912, 7.
[2] MüKo/Grunsky § 2137 Rn 1; Palandt/Weidlich § 2137 Rn 1; Staudinger/ Avenarius § 2137 Rn 2.
[3] Soergel/Harder/Wegmann § 2137 Rn 1; Muscheler, Hereditare-Jahrbuch 2013, 159 (165).
[4] MüKo/Grunsky § 2137 Rn 1; Soergel/Harder/Wegmann § 2137 Rn 1.
[5] Muscheler, Hereditare-Jahrbuch 2013, 159.

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