II.

Die gemäß §§ 12c Abs. 4, 71 Abs. 1, 73 GBO zulässige Beschwerde, über die nach §§ 72 GBO, 13a, 23a Abs. 2 Nr. 8 GVG, § 4 Abs. 3 Nr. 2 lit. a) GerOrgG Rheinland-Pfalz der Senat zu befinden hat, führt zu dem angestrebten Erfolg, weil der Antragsteller ein berechtigtes Interesse gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 GBO dargelegt hat.

1. Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch i.S.v. § 12 Abs. 1 GBO, und zwar auch in Form der Erteilung von Abschriften (§ 12 Abs. 2 GBO), ist gegeben, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers vorliegt (vgl. auch BGH, Beschl. v. 12.12.2013 – V ZB 120/13, juris Rn 21; OLG München, Beschl. v. 14.6.2018 – 34 Wx 188/18, juris Rn 11; OLG Oldenburg, Beschl. v. 30.9.2013 – 12 W 261/13, juris, dort Rn 2; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl. 2015, § 12 GBO, Rn 6 u. 77). Ein solches Interesse wirtschaftlicher Art ist für den Pflichtteilsberechtigten, der nach Eintritt des Erbfalls erbrechtliche Ansprüche prüfen möchte, im Regelfall anerkannt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.9.2015 – 3 Wx 149/15, juris Rn 15; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.9.2013 – 11 Wx 57/13, juris Rn 10 ff.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.2.2011 – 20 W 72/11, juris Rn 15; OLG München, Beschl. v. 13.1.2011 – 34 Wx 132/10, juris, Rn 12; KG Berlin, Beschl. v. 20.1.2004 – 1 W 294/03, juris; BeckOK GBO/Wilsch, 39. Ed. 1.6.2020, § 12 GBO, Rn 72a; Demharter, Grundbuchordnung, 31. Aufl. 2018, § 12 GBO Rn 12). Davon geht auch der Senat aus.

2. Soweit das Grundbuchamt den Antrag gleichwohl unter Hinweis darauf, dass der Antragsteller durch letztwillige Verfügung ausdrücklich von der Erbfolge ausgeschlossen und ihm sein gesetzlicher Pflichtteil gemäß § 2333 BGB entzogen sei, zurückgewiesen hat, kann dem nicht gefolgt werden.

Zwar kann im Einzelfall das Vorliegen eines Interesses wirtschaftlicher oder tatsächlicher Natur verneint werden, wenn etwa dem Pflichtteilsberechtigten seit vielen Jahren der Erbfall und auch der Umstand, dass er von der Erbfolge ausgeschlossen war, bekannt waren und es in diesem Fall an der besonderen Darlegung eines berechtigten Interesses fehlt (vgl. bei ca. 70 Jahren zurückliegendem Erbfall OLG München, Beschl. v. 13.1.2011 – 34 Wx 132/10, zitiert nach Juris). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben, liegt insbesondere entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes nicht in dem Umstand eines von der Erblasserin im notariellen Testament vom xx.xx.20xx erwähnten Entzug des Pflichtteils. An eine Ablehnung des berechtigten Interesses nach § 12 Abs. 1 GBO wäre nach Ansicht des Senats allenfalls dann zu denken gewesen, wenn ganz offenkundig eine wirksame Pflichtteilsentziehung vorläge und somit das Bestehen erbrechtlicher Ansprüche abwegig wäre. So liegen die Dinge hier nicht. Im notariellen Vertrag heißt es im Zusammenhang mit der Pflichtteilsentziehung konkret:

Ausdrücklich von der Erbfolge ausgeschlossen ist mein Sohn (…) Darüber hinaus entziehe ich ihm sein gesetzliches Geldpflichtteil gem. § 2333 BGB, da er einerseits mich mehrfach tätlich angegriffen hat (Zeuge: (…) und Nachbar (…)) und andererseits er gegen meinen Willen einen ehrlosen aber auch unsittlichen Lebenswandel im Sinne des § 2333 Ziff. 5 BGB führt.

Der Notar hat mich auf die Beweispflicht des Erben für diese Tatbestände hingewiesen, dennoch wünsche ich keine näheren Angaben zu machen.

Zur Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung ist neben der Entziehungserklärung auch die Angabe eines (zutreffenden) Kernsachverhalts erforderlich, § 2336 Abs. 2 BGB. Dabei geht es nicht darum, dass der Erblasser zum Ausdruck bringt, unter welchen der im Gesetz angeführten Entziehungstatbestände er seinen Entziehungsgrund einordnet; sondern es kommt auf eine (gewisse) Konkretisierung des Grundes oder der Gründe an, auf die er die Entziehung stützen will. Eine derartige konkrete Begründung in dem Testament, die nicht in die Einzelheiten zu gehen braucht, ist schon deshalb unverzichtbar, weil die Entziehung anderenfalls im Einzelfall am Ende auf solche Vorwürfe gestützt werden könnte, die für den Erblasser nicht bestimmend waren, sondern erst nachträglich vom Erben erhoben und vom Richter für begründet erklärt werden (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.1985 – IVa ZR 136/83, juris Rn 19; Saarl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 12.12.2017 – 5 W 53/17, juris Rn 29). Es ist eher fernliegend, dass der Inhalt des Testaments der Erblasserin dem gerecht werden würde. Trotz des erfolgten Hinweises des Notars auf die Beweispflicht des Erben bleibt es hinsichtlich Anzahl, Ausmaß und konkreter Hergänge bereits unklar, was die Erblasserin mit den genannten mehrfachen tätlichen Angriffen gemeint haben mag. Eine konkrete Zeitangabe oder die Benennung eines Zeitraums, in dem sich die Vorgänge abgespielt haben sollen, fehlt. In welchem Zusammenhang die benannten Zeugen zu den angegebenen Geschehnissen stehen sollen und welche greifbaren Angaben sie aus eignen Wahrnehmungen machen könnten, ist dem Testament nicht zu entnehmen. Soweit einer der bena...

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