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Die Gefahr, dass Vorsorgevollmachten missbraucht werden, ist erheblich. Ein Missbrauch der Vorsorgevollmacht zielt meist auf das Vermögen des Vollmachtgebers und führt regelmäßig zu einer Vermögensschädigung (so z.B. bei Überweisung von Bankguthaben des Vollmachtgebers auf eigene Konten, unentgeltlichen Zuwendungen von Immobilien an sich selbst oder Dritte, Änderung von Bezugsberechtigungen aus Versicherungsverträgen). Wenn dann zwischen der missbräuchlichen Verwendung der Vollmacht durch den Bevollmächtigten und der Aufdeckung und/oder Durchsetzung von Herausgabe- und Schadenersatzansprüchen gegen ihn einige Jahre vergangen sind, erheben die Anspruchsgegner im Rahmen ihrer Verteidigung regelmäßig die Einrede der Verjährung. Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, ob es in diesem Fall wirklich erforderlich ist, über den Verjährungsbeginn im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB zu streiten, oder ob nicht vielmehr der Verjährungseinrede der Einwand der Hemmung der Verjährung nach § 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 BGB analog entgegengehalten werden kann.

I. Einleitung

1. Ausgangslage

Soweit es den Erben (oder Miterben), die nach dem Ableben des Vollmachtgebers Zweifel an der Redlichkeit des Vorsorgebevollmächtigten haben, bei ihren Aufklärungsbemühungen gelingt,[1] das Zustandekommen eines Auftragsverhältnisses gem. den §§ 662 ff. BGB darzutun, können die Miterben von dem Bevollmächtigten zuvörderst Auskunft und Rechenschaft über die Verwendung der Vollmacht gem. § 666 Var. 2 und 3 BGB fordern. Aufgrund eines solchen Auftragsverhältnisses kommt sodann ein Herausgabeanspruch des unter Verwendung der Vollmacht (also im Rahmen des Auftragsverhältnisses) Erlangten nach § 667 BGB in Betracht.

Unabhängig vom Bestehen eines Auftragsverhältnisses kann sich auch ein Rückzahlungsanspruch der Erbengemeinschaft aus Bereicherungsrecht gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB ergeben.[2] Ist die Herausgabe des Erlangten nicht möglich (z.B. bei Übertragung einer Immobilie durch die vorsorgebevollmächtigte Tochter direkt an die Enkelkinder), handelt es sich um eine Pflichtverletzung im Innenverhältnis, die zum Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet.[3] Insbesondere Horn weist zu Recht darauf hin, dass auch Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 Var. 1 StGB oder § 246 StGB wegen Erfüllung des Missbrauchstatbestands oder Unterschlagung bestehen können.[4]

[1] Immer noch (auch bei notariellen Vorsorgevollmachten) wird bei der Erteilung einer Vorsorgevollmacht der ausdrücklichen Regelung des Innenverhältnisses zu wenig Bedeutung beigemessen. Dann hängt es vom Rechtsbindungswillen der Parteien zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung ab, ob ein Vertragsverhältnis nach § 662 BGB zustande gekommen ist oder lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis bestand.
[2] Siehe hierzu Kollmeyer, NJW 2017, 1137, 1138.
[4] Horn, ZEV 2016, 373, 375.

2. Verjährung

Für die gegen den Vorsorgebevollmächtigten bestehenden Ansprüche gilt grundsätzlich die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gem. § 195 BGB. Die Frist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat. Führt man sich vor Augen, dass die durchschnittliche Demenzerkrankung sieben Jahre dauert,[5] wird deutlich, dass die Frage der Verjährung einen (gewichtigen) Teilaspekt der (gerichtlichen) Auseinandersetzung zwischen den Erben und dem Vorsorgebevollmächtigen bildet.

Zwar entsteht sowohl der Anspruch nach § 666 Var. 3 BGB wie auch der Herausgabeanspruch nach § 667 BGB nach der Rechtsprechung grundsätzlich erst nach Beendigung des Auftrags,[6] so dass auch die Verjährung dieser Ansprüche in der Regel erst zu diesem Zeitpunkt (also meist dem Zugang des Widerrufs der Vollmacht bei dem Bevollmächtigten) beginnt.

Anders ist es allerdings bei den Ansprüchen auf Schadenersatz nach § 280 Abs. 1 BGB, aus Bereicherungsrecht gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB oder aus unerlaubter Handlung nach § 823 BGB. War der Anspruch vor dem Tod des Erblassers entstanden und lag das subjektive Element der Kenntnis/grob fahrlässigen Unkenntnis beim Erblasser als Gläubiger vor, müssen sich die Erben die Kenntnis/grob fahrlässige Unkenntnis des Verstorbenen als Rechtsvorgänger anrechnen lassen.[7] Es verwundert nicht, dass die Vorsorgebevollmächtigten in diesem Zusammenhang regelmäßig behaupten, der Vollmachtgeber und spätere Erblasser habe "von allem" gewusst. In diesen Fällen scheitern die Miterben, die mithilfe von Kontounterlagen der Bank oder durch Grundbuchauszug die missbräuchliche Verwendung der Vollmacht nachweisen können, dann an der Einrede der Verjährung.

Problematisch kann in Fällen von länger andauernder Erkrankung des Betroffenen auch die Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 4 BGB sein, wonach die hier besprochenen Ansprüche ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis spätestens nach zehn Jahren von ...

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