Der im deutschen Arbeitsrecht an den unterschiedlichsten Stellen im Gesetz verankerte Sonderkündigungsschutz ist vielgestaltig und mal mehr, mal weniger oder gar nicht bekannt (vgl. zu Haftungsrisiken bei Klageerhebung Schröder, NJW 2021, 2337). Ohne Gewähr für und Anspruch auf Vollständigkeit – auch mit Blick auf die immer wieder zu beobachtenden gesetzlichen Neufassungen und Umgruppierungen – sind als gesetzliche Tatbestände insb. zu nennen: Berufsausbildung nach § 22 Abs. 2 BBiG, Betriebsrat (inkl. Ersatzmitglieder u.a.), Wahlvorstand/Wahlbewerber nach § 15 KSchG, Arbeitnehmer im Betriebsübergang nach § 613a Abs. 4 BGB, Arbeitnehmer in Elternzeit nach § 18 BEEG, Schwangerschaft/Mutterschutz nach § 17 Abs. 1 MuSchG, Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung nach §§ 168 ff. SGB IX, Datenschutzbeauftragter nach § 6 Abs. 4 BDSG (vgl. Greiner/Senk, NZA 2020, 201; zur Vereinbarkeit von § 6 Abs. 4 BDSG mit der DSGVO BAG, 30.7.2020 – 2 AZR 225/20 (A), NZA 2020, 1468 mit Vorlage an den EuGH), Pflege von Familienangehörigen nach § 5 PflegeZG, Störfall- (§ 58a BImSchG), Abfall- (§ 59 KrWG), Gewässerschutz- (§ 66 WHG), und Immissionsschutzbeauftragter nach § 58 Abs. 2 BImSchG (vgl. Bergwitz, NZA 2021, 542), Geldwäschebeauftragter nach § 7 Abs. 7 S. 2 und S. 3 GwG. Der Vollständigkeit halber sei noch auf den Beauftragten für biologische Sicherheit (§ 3 Nr. 9, § 6 Abs. 4 GenTG, § 19 Abs. 2 GenTSV), den Zivilschutz-Helfer (§ 27 ZSKG), den Compliance-Beauftragten (§ 33 WpHG, § 12 Abs. 3 und Abs. 4 WpDVerOV), den Kerntechnischen Sicherheitsbeauftragten (§ 5 AtSMV) und den Helfer im Katastrophenschutz (§ 9 KatSG) verwiesen, die zwar keinen Sonderkündigungsschutz genießen, aufgrund ihrer Funktion aber nicht benachteiligt werden dürfen.

Dieser vorstehende "bunte" Katalog an gesetzlichem Sonderkündigungsschutz wird durch einen "bundesweiten Flickenteppich" tariflichen Sonderkündigungsschutzes ergänzt, der branchenunterschiedlich ab einem gewissen Alter und einer gewissen Betriebszugehörigkeit greift oder Sonderkündigungsschutz aufgrund einer Regelung über eine Standortsicherung bietet (Rationalisierungsschutz). Denkbar ist darüber hinaus auch ein Sonderkündigungsschutz aufgrund einer Betriebsvereinbarung oder einer einzelvertraglichen Absprache.

Zusammengefasst ergibt sich im konkreten Anwendungsszenario mit Blick auf das Vorstehende für den Arbeitsrechtler sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite ein veritabler Prüfungsauftrag, um Sonderkündigungstatbestände im Interesse des Mandanten zu erfassen, zu steuern und zu nutzen.

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