Der BGH hat kürzlich ein Machtwort gesprochen: Die verbreitete formularmäßige 15-Minuten-Zeittaktklausel bei anwaltlichen Vergütungsvereinbarungen ist unwirksam. Umstritten war die Klausel schon lange. Insbesondere an der 15-Minuten-Klausel, wonach bei einem Zeithonorar für jede angefangene Viertelstunde 15 Minuten abgerechnet werden können, schieden sich die Geister. Deshalb hofften viele auf eine baldige höchstrichterliche Entscheidung. Die aktuelle BGH-Entscheidung dürfte endlich für Rechtsklarheit sorgen (BGH, Urt. v. 13.2.2020 – IX ZR 140/19, ZAP 2020, F. 1 S. 62 EN-Nr. 234/2020). Bei dieser Gelegenheit hat der Senat auch gleich noch weitere Klauseln gekippt, etwa die Zurechnung einer Abfindung zum Streitwert. Die Entscheidung gilt zwar nur im Verbrauchermandat, dürfte aber nicht ohne Auswirkungen auch bei Unternehmensmandaten bleiben.

Zugrunde lag dem Rechtsstreit ein arbeitsrechtliches Mandat, wobei der beklagte Rechtsanwalt den Arbeitnehmer vertrat. Mit ihm hatte er bei Begründung des Mandats u.a. folgende Vergütungsvereinbarung getroffen:

“§ 1 Vergütung

Die Vergütung berechnet sich nach dem Zeitaufwand der Kanzlei. Für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts wird ein Vergütungssatz von 290,00 EUR pro Stunde zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer i.H.v. derzeit 19 % berechnet. Für Tätigkeiten des Sekretariats wird ein Stundensatz i.H.v. 60,00 EUR vereinbart. Die Kanzlei ist berechtigt, die Tätigkeiten des Sekretariats pauschal mit 15 Minuten pro Stunde anwaltlicher Tätigkeit abzurechnen.

Erforderliche Reise-, Wege- und Wartezeiten gelten als Arbeitszeit. Die Abrechnung des Zeitaufwands erfolgt im 15-Minuten-Takt (0,25 Stunden). Für angefangene 15 Minuten wird jeweils ein Viertel des Stundensatzes berechnet ...

Eine Abfindung wird abweichend von der gesetzlichen Regelung dem Gegenstandswert hinzugerechnet ... ”

Unter Hinweis auf diese Vergütungsvereinbarung stellte der Beklagte, der für den Kläger ein wohlwollendes Zeugnis sowie eine Abfindung i.H.v. 9.875,99 EUR ausgehandelt hatte, seinem Mandanten nach Beendigung des Auftrags Gebühren von insgesamt 11.276,44 EUR in Rechnung. Das wollte dieser nicht hinnehmen und klagte. Vor dem LG und dem OLG hatte er Erfolg. Und auch der BGH sah keinen Grund, die anwaltliche Gebührenrechnung in dieser Höhe zu akzeptieren. Im Einklang mit den Vorinstanzen sprach er dem beklagten Rechtsanwalt lediglich 1.541,45 EUR zu. Dieser Betrag ergebe sich aus dem vereinbarten Stundensatz von 290 EUR netto (345 EUR brutto) und dem zu vergütenden Aufwand von 268 Minuten (vier Stunden und 28 Minuten).

Zunächst stellt der BGH klar, dass er § 307 Abs. 3 S. 1 BGB bei Verbrauchermandaten für anwendbar hält. Zwar werde teilweise vertreten, dass die AGB-Kontrolle im Bereich des RVG nicht gelte. Das sei, so der BGH, jedoch nicht überzeugend. Die Vorschriften des RVG ließen erkennen, dass die Rechtsanwaltsvergütung nur bedingt privatautonom vereinbart werden könne. Sie schließe weitergehende Kontrollen nach anderen gesetzlichen Bestimmungen nicht aus. Insoweit sei es den Gerichten nicht schlechthin verwehrt, zur Bestimmung der Unangemessenheit auf die gesetzlichen Gebührentatbestände zurückzugreifen, denen eine faktische Leitbildfunktion zukomme.

Ein solcher Tatbestand sei etwa § 42 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 GKG. Dieser bestimme, dass bei Streitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses höchstens der Betrag des für die Dauer eines Vierteljahres zu zahlenden Arbeitsentgelts maßgebend sei. Eine Abfindung werde nicht hinzugerechnet. Für anwaltliche Tätigkeiten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gelte die Vorschrift gem. § 23 Abs. 1 S. 3 RVG entsprechend.

Danach sei eine formularmäßig vereinbarte Mindestvergütung i.H.d. Dreifachen der gesetzlichen Gebühren unabhängig von der Höhe des Streitwerts und vom Umfang und von der Schwierigkeit des Mandats schon für sich genommen bedenklich, weil sie das Interesse des Mandanten, nicht mit einer außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehenden Gebührenforderung überzogen zu werden, völlig außer Acht lasse.

Jedoch sei der vereinbarte Zeittakt von 15 Minuten, der auch durch die belanglosesten Tätigkeiten des Rechtsanwalts ausgelöst werde und beliebig oft zur Anwendung gebracht werden könne, keinesfalls mehr gerechtfertigt. Die Bestimmung würde es dem Rechtsanwalt z.B. ermöglichen, die auch nur flüchtige Durchsicht des E-Mail-Eingangsfachs in jeder Angelegenheit, in der eine E-Mail eingegangen ist, mit einem Viertel des vereinbarten Stundensatzes in Ansatz zu bringen. Auch Unterbrechungen, die ohne äußeren Anlass auf der eigenen Entschließung des Anwalts beruhen, könnten den Zeittakt neu beginnen lassen und zu einer Vervielfachung der Vergütung führen.

Dies sei eine einseitige Bevorzugung des Interesses des Rechtsanwalts an einer möglichst hohen Vergütung unter Missachtung der Interessen des Mandanten, nicht mehr als eine angemessene Vergütung für die Dienste des Rechtsanwalts bezahlen zu müssen. So sah es der BGH auch im vorlieg...

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