Hinweis:

Änderung der Rechtsprechung.

Dem BAG (Urt. v. 10.2.2015 – 9 AZR 53/14 (F), NZA 2015, 1005) lag ein Streitfall aus dem öffentlichen Dienst zur Entscheidung vor, bei dem der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung fand. Der Kläger wechselte ab dem 15.7.2010 in eine Teilzeittätigkeit und arbeitete statt bisher an fünf, nur noch an vier Tagen in der Woche. Während seiner Vollzeittätigkeit im Jahr 2010 hatte er keinen Urlaub. Die Beklagte hat tarifkonform, gestützt auf § 26 Abs. 1 TVöD, den tariflichen Anspruch von 30 Urlaubstagen bei einer Fünftagewoche nach dem Wechsel in die Viertagewoche umgerechnet (30 Urlaubstage: 5 × 4) und 24 Urlaubstage im Jahr 2010 gewährt. Der Kläger hält eine verhältnismäßige Kürzung seines Urlaubsanspruchs für die Monate Januar bis Juni 2010 für nicht zulässig, so dass ihm im Jahr 2010 ein Anspruch auf 27 Urlaubstage zustehe: Für das erste Halbjahr die Hälfte von 30 Urlaubstagen, mithin 15 Urlaubstage, zzgl. der anteiligen zwölf Urlaubstage für das zweite Halbjahr.

Die Revision des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des LAG hatte Erfolg. Zwar regelt § 26 Abs. 1 TVöD u.a., dass sich der für die Fünftagewoche festgelegte Erholungsurlaub nach einer Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf weniger als fünf Tage in der Woche vermindert. Die Tarifnorm ist jedoch wegen Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitkräften nach § 4 Abs. 1 TzBfG i.V.m. § 134 BGB nichtig, soweit sie die Zahl der während der Vollzeittätigkeit erworbenen Urlaubstage mindert. § 4 Abs. 1 TzBfG setzt die Vorgaben des § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15.12.1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7.4.1998 geänderten Fassung in nationales Recht um. Der Senat gibt daher die Rechtsprechung aus dem Urteil vom 28.4.1998 (9 AZR 314/97), welche zu § 48 Abs. 4 BAT-KF ergangen war, auf.

 

Hinweise:

  1. Die Vorinstanz (LAG Hessen, Urt. v. 30.10.2012 – 13 Sa 590/12) hat der h.M. im Schrifttum und dem Tarifwortlaut entsprechend die klägerische Ansicht zurückgewiesen. Dem Arbeitnehmer stehe vor und nach der Änderung der Arbeitszeit ein Urlaubsanspruch von sechs Wochen zur Verfügung. Die Vollzeitbeschäftigten würden sonst gegenüber den Teilzeitbeschäftigten benachteiligt, weil diese mehr als sechs Wochen Urlaub erhielten, was auch durch den Erholungszweck nicht getragen ist. Doch die unionsrechtliche Betrachtungsweise ist anders: Die Teilzeitrichtlinie schützt – einer Einbahnstraße vergleichbar – allein Teilzeitbeschäftigte! Diese erhalten nun einen Urlaubsanspruch, der sechs Wochen übersteigt. Das teilweise gegen diese Ansicht angeführte Argument, es könne nicht sein, dass Vollzeitbeschäftigte sechs Wochen Jahresurlaub hätten, der in der zweiten Jahreshälfte an einem Tag in der Woche tätige Teilzeitbeschäftigte dagegen 18 Wochen, verfängt daher nicht. Unionsrechtlich ist das der "Falschfahrer", der gegen die Fahrtrichtung der Einbahnstraße fährt. Der Neunte Senat verwirft ausdrücklich dieses Argument, indem er von einer erneuten Vorlage absieht, weil die Rechtslage unionsrechtlich geklärt sei, sog. acte claire.
  2. Wichtig ist weiter die Frage, wie der Urlaub nun vergütet wird – nach Vollzeit oder nach Teilzeitvergütung oder – wohl zutreffend – quotal 15 Urlaubstage Vollzeitvergütung und zwölf Urlaubstage Teilzeitvergütung. Hierzu hat das BAG aber nicht entschieden.
  3. Der EuGH hat mit Urteil vom 11.11.2015 (C-219/14, NZA 2015, 1501 "Greenfield") erstmals dieselben Grundsätze auf die Erhöhung des Urlaubsanspruchs angewendet und entschieden, dass sich die Berechnung der Ansprüche auf Urlaubsabgeltung und auf bezahlten Jahresurlaub (in natura) nach denselben Grundsätzen richten.

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