Bislang sind Juristen nicht gerade wegen ihres modischen Gespürs bekannt. Anwälte sind da keine Ausnahme. Spötter gehen bei ihnen sogar so weit und wollen angesichts einer Vielzahl von schlecht sitzenden Anzügen und teilweise atem-(be-)raubenden Farb- und Materialkombinationen bei Krawatten- und Hemdauswahl ein umgekehrt proportionales Verhältnis von fachlicher Expertise und individuellem Hang zu modischen Fehlgriffen erkannt haben.

Völliger Unsinn! Uns Anwälten fehlten bislang allein nur die richtigen Vorbilder! Allzu häufig haben wir (als männliche Berufsträger – und natürlich nur um diese geht es) uns wohl zu sehr an den Protagonisten des deutschen Fußballs orientiert. Denn wie ist es anders zu erklären, dass erst unlängst ein Anwalt es seinem großen Vorbild Mario Götze, einem bekannten bayerischen Kicker, gleichtun und seinen eigenen Namen auf seiner Robe verewigt sehen wollte, was ihm – offenbar als Wiederholungstäter, der schon zuvor mit seinem innovativen neuen Konzept zum anwaltlichen Merchandising durch Kaffeetassen (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13, ZAP F. 23, S. 1001) auffiel – die rote Karte wegen groben Foulspiels durch das anwaltlich Kontrollgremium einbrachte (vgl. AGH NRW, Urt. v. 29.5.2015 – 1 AGH 16/15, ZAP F. 23, S. 1043).

Einen "Platzverweis" bei einem "Auswärtsspiel" vor einem Augsburger Amtsgericht kassierte auch ein anderer Rechtsanwalt, der seine Berufstracht nur vor höheren Instanzen, also quasi der 1. Bundesliga oder Champions-League tragen wollte und sich der unteren Spielklassen unter Hinweis auf § 20 S. 2 BORA, der Freistellung zumindest vor den Amtsgerichten in Zivilsachen erklärt, kategorisch verweigerte, weshalb er heimgeschickt und zum neuen Termin anreisen musste. Die ihm hieraus entstandenen Kosten i.H.v. rund 750 EUR wollte er nun aber vom Freistaat ersetzt haben – zu Unrecht wie ihm das LG Augsburg (Urt. v. 30.6.2015 – 031 O 4454/14) zunächst beschied. Auch das daraufhin angerufene OLG München wollte sich zwar hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzes nicht eindeutig positionieren, immerhin bescheinigte der Vorsitzende Richter Steiner in seinem am 25.11.2015 protokollierten Statement aber, dass der Augsburger Unparteiische wohl überreagiert hatte und zunächst eine gelbe Karte als Verwarnung ausgereicht hätte, so dass die Vertagung nach nur zwei Minuten unverhältnismäßig gewesen wäre und nicht nur unnötige Kosten verursacht, sondern auch die Gefahr heraufbeschworen hatte, dass der Anwalt dadurch "sein Gesicht vor dem Mandanten verliert" (ähnlich: LAG Niedersachsen, Beschl. v. 29.9.2008 – 16 Ta 333/08). Diese Begründung reichte dem vom Platz gestellten Anwalt offenbar aus und er nahm die Klage zurück.

Weitere modischen Regelverstöße durch Anwälte gegen den beruflichen Dresscode in deutschen Gerichtsälen dürften im Übrigen hinreichend bekannt sein: Da wird schon mal über ein offenes Hemd und eine fehlende Krawatte (vgl. LG Mannheim, Beschl. v. 27.1.2009 – 4 Qs 52/08), ein blaues Hemd mit bunter Krawatte (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 23.8.1985 – Ss 465/85) oder einem Auftreten als Verteidiger mit weißem T-Shirt und schwarzem Sakko berichtet (vgl. OLG München, Beschl. v. 14.7.2006 – 2 Ws 679/06) und man kann nur spekulieren, ob und wann auch Jogginghose oder weiße Tennissocken früher oder später der richterlichen Kontrolle unterzogen werden. Soweit muss es aber nicht kommen!

Allen modisch orientierungslosen Anwälten steht in dieser Hinsicht eine neue Lichtgestalt zur Verfügung. Das Männermagazin GQ hat Anfang des Jahres Bundesjustizminister Heiko Maas zum "best dressed Man 2016" gewählt. Er konnte dabei die Redaktion mit seinen "perfekt sitzenden Anzügen" sowie "smarten Auftretens" überzeugen und nicht zuletzt auch deshalb, weil er damit "Haltung" und das "nicht nur politisch" zeige (vgl. Georgi, Glamour, Baby! in: FAZ, faz.net.de v. 14.1.2016).

Alles Attribute, die wir Anwälte zweifellos auch allzu gerne für uns in Anspruch nehmen würden. Also legen wir los, auch wenn feines Tuch grundsätzlich teuer ist und wir diese Kosten für Anzug, Hemd und Krawatte nicht als anwalts- bzw. berufsbedingten Aufwand steuerlich absetzen können (vgl. FG Hamburg, Urt. 26.3.2014 – 6 K 231/12 zur "Erstausstattung eines Junganwalts" mit fünf Anzügen, zwölf Hemden, drei Hosen, zwei Paar Schuhen im Gesamtwert von 3.800 EUR).

Entscheidend bleibt trotz neu aufkommenden Modediktat dann doch zumindest unsere tröstliche Erkenntnis – frei nach dem West-Berliner Kommunarden Fritz Teufel: "Wenn‘s denn der Wahrheitsfindung dient".

Autor: Rechtsanwalt Mark T. Singer, Neuss

ZAP 9/2016, S. 447 – 448

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