Ob eine Geltendmachung insbesondere von Unterlassungs- und Kostenerstattungsansprüchen auf Basis datenschutzrechtlicher Verstöße überhaupt in Betracht kommt, und – sofern dies positiv zu beantworten ist (so ausdrücklich Ernst WRP 2004, 1133, 1137) – die Verletzung welcher Datenschutzrechtnormen geltend gemacht werden kann, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Für eine Qualifikation einer Datenschutznorm als Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG ist erforderlich, dass der verletzten Norm zumindest eine sekundäre Schutzfunktion zugunsten des Wettbewerbs zukommen muss; es wird nur ein Verstoß gegen solche Normen erfasst, die zumindest auch das Marktverhalten im Interesse aller Marktbeteiligten regeln (BT-Drucks 15/1487, 19 zu § 4 Nr. 11 UWG a.F., unter Hinw. auf BGH, Urt. v. 25.4.2002 – I ZR 250/00; zuletzt BGH, Urt. v. 23.6.2016 – I ZR 71/15; ebenso: Galetzka K&R 2016, 77, 78).

Einige Gerichte werten Datenschutz-Regelungen nur als Schutznormen für das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung und lehnen den Charakter als Marktverhaltensregelung ab (z.B. OLG Dresden, Urt. v. 26.3.2013 – 14 U 1776/12 – betr. §§ 12, 14 TMG, § 3a BDSG, § 12 SächsDG, anders aber wohl betr. § 28 BDSG; offen gelassen in der Revision von BGH, Beschl. v. 13.3.2014 – I ZR 78/13; ebenso zuvor OLG Frankfurt, Urt. v. 30.6.2005 – 6 U 168/04 – betr. § 4 BDSG).

Die weit überwiegende Ansicht in der Rechtsprechung vertritt jedoch die Ansicht, jeweils auf Basis der verletzten Form zu entscheiden, ob wettbewerbsrechtliche Ansprüche bestehen. Diese normbezogene Ansicht ist zu begrüßen. Grundlage der jeweiligen Entscheidung ist die Prämisse des Wettbewerbsrechts, gleiche und damit ausgewogene Marktchancen für alle Teilnehmer zu gewährleisten. Da Daten zu einem Wirtschaftsgut geworden sind, ist von einem Datenschutzverstoß nicht nur das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen tangiert, sondern in Folge der Kommerzialisierung der Daten auch jeder Marktteilnehmer (inkl. der Mitbewerber), der sich an die Vorgaben des Datenschutzrechts hält und aufgrund des nicht-rechtskonformen Verhaltens des Verletzers andere, nämlich ungleiche, Marktchancen hat. Datenschutznormen, die daher die Erhebung und Nutzung von Daten zu kommerziellen Zwecken, mit Ausnahme der Erhebung der Daten zwecks Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG), zum Gegenstand haben, sind daher als Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG zu qualifizieren (so zu Recht Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 3a Rn 1.74; Galetzka K&R 2015, 77, 78, der aber einen Wettbewerbsbezug bei rein innerbetrieblichen Vorgängen ablehnt). Dies trifft insbesondere auf Normen zu, die die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten zum Zwecke der Werbung zum Gegenstand haben (vgl. Robak GRUR-Prax 2016, 139, 140).

Der Bestand wettbewerbsrechtlicher Ansprüche ist damit eine Einzelfallentscheidung. Ungeachtet dessen können jedoch bereits Fallgruppen identifiziert werden, in denen die Rechtsprechung wettbewerbsrechtliche Ansprüche zugestanden hat:

aa) Datenverarbeitung ohne Einwilligung des Betroffenen

(1) Versendung von Werbenachrichten

§ 28 Abs. 3 S. 1 BDSG setzt für die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung u.a. eine Einwilligung des Betroffenen i.S.d. §§ 4 Abs. 1, 4a Abs. 1 BDSG voraus. Fehlt diese Einwilligung, dürfen die Daten weder verarbeitet, noch genutzt werden.

 

Beispiel:

Beispielhaft sei an dieser Stelle das Facebook Plug-In "Freunde finden" genannt. Bei dieser Funktion werden Einladungs-E-Mails an Personen, die in dem Facebook-Account eines anderen Nutzers genannt, die jedoch selbst kein Facebook-Mitglied sind, versendet.

In dieser oder in vergleichbaren Konstellationen wurden § 28 Abs. 3 BDSG sowie §§ 4, 4a BDSG als Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 3a UWG qualifiziert (vgl. KG, Urt. v. 24.1.2014 – 5 U 42/12, das ferner auch § 5 Abs. 1 UWG anwendet; OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.5.2012 – 6 U 38/11; OLG Köln, Urt. v. 19.11.2010 – 6 U 73/10). Der BGH hat in der Entscheidung "Freunde finden" (Urt. v. 14.1.2016 – I ZR 65/14) das Ergebnis der Vorinstanzen zwar bestätigt, dieses Ergebnis jedoch auf § 7 Abs. 2 Nr. 3 gestützt (ebenso BGH, Urt. v. 12.9.2013 – I ZR 208/12, zu der sog. inhaltlich vergleichbaren tell-a-friend-Funktion, wobei dort BDSG-Normen nicht relevant waren). Hiernach ist eine unzumutbare Belästigung anzunehmen, wenn Werbung unter Verwendung elektronischer Post erfolgt, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Der BGH hatte mit Urteil vom 31.5.2012 (I ZR 45/11) entschieden, dass ein Verstoß gegen nationale Bestimmungen eine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG (jetzt: § 3a UWG) grundsätzlich nur noch begründen kann, wenn die betreffenden Regelungen eine Grundlage im Unionsrecht haben; ob er deswegen in der Entscheidung "Freunde finden" die Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG und nicht § 3a UWG angewendet hat, kann nicht final beantwortet werden. Andererseits setz...

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