I. Einführung

Die im Arbeitsrecht in der laufenden 18. Legislaturperiode äußerst aktive Bundesregierung hat mit dem "Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze" ein weiteres ihrer in der Koalitionsvereinbarung fixierten großen Reformprojekte zum Abschluss gebracht. Das neue Recht bringt für die Praxis, insbesondere für alle auf dem Gebiet des Arbeitsrechts tätigen Rechtsanwälte, bedeutsame Rechtsänderungen. Das Gesetzgebungsverfahren war, nachdem der Bundesrat am 25.11.2016 grünes Licht für das vom Bundestag am 21.10.2016 beschlossene Gesetz gegeben hatte, noch im Jahr 2016 abgeschlossen worden. Auf Drängen der Arbeitgeberverbände tritt es jedoch erst am 1.4.2017 in Kraft, um den Unternehmen eine hinreichende Vorbereitung auf die Änderungen zu ermöglichen.

Das Gesetz umfasst zwei sachlich miteinander verbundene Regelungskomplexe, nämlich zum einen die stärkere Regulierung der Zeitarbeit und zum anderen die Eindämmung des Drittpersonaleinsatzes auf der Grundlage von Dienst- oder Werkverträgen. Bei der Arbeitnehmerüberlassung, die im Zuge der Hartz-Reformen stark liberalisiert worden war, wird die Regulierungsschraube nach der durch die große AÜG-Reform des Jahres 2011 (Erstes Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes – Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung v. 28.4.2011, BGBl I, S. 642) erfolgten Verschärfung erneut angezogen. Insbesondere wird eine Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten eingeführt und außerdem der Grundsatz der Gleichstellung von Zeitarbeitnehmern und Stammarbeitnehmern konkretisiert. Spätestens nach neun Monaten müssen Zeitarbeitnehmer künftig das gleiche Arbeitsentgelt bekommen wie vergleichbare Stammbeschäftigte. Der von der Bundesregierung identifizierte Missbrauch von Werkverträgen soll dadurch eingedämmt werden, dass in einem neu in das BGB eingefügten § 611a BGB nun mittelbar über eine Definition des Arbeitsvertrags klargestellt wird, wer Arbeitnehmer ist (dazu II.). Praktisch bedeutsamer dürfte sein, dass die Überlassung von Arbeitnehmern nach dem AÜG ausdrücklich als solche bezeichnet werden muss (dazu III. 6.). Verleiher und Entleiher begehen eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie eine Arbeitnehmerüberlassung nicht offenlegen, sondern versuchen, diese durch Abschluss eines Scheinwerkvertrags zu verschleiern (dazu III. 8.).

 

Literaturhinweis:

Ausführlich zur Reform und deren Auswirkungen Henssler/Grau, Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträge – Gesetzliche Neuregelung und Auswirkungen für die Praxis, Anwaltverlag 2017.

II. Regelung des Arbeitsvertrags in § 611a BGB und Folgen für die Praxis

1. Neuer § 611a BGB

Das erwähnte Ziel der Bekämpfung eines Missbrauchs von Werkverträgen wird in der Neuregelung durch einen Eingriff in das Herzstück des Zivilrechts umgesetzt, indem in einem neuen § 611a BGB en passant die Jahrhundertaufgabe der gesetzlichen Definition des Arbeitnehmerbegriffs bewältigt wird. Der letztlich Gesetz gewordene § 611a BGB definiert den Arbeitnehmer nicht unmittelbar, sondern nur indirekt über die Definition des Arbeitsvertrags. Die Neuregelung lautet:

Zitat

§ 611a BGB Arbeitsvertrag:

(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

 

Hinweis:

Maßgeblich für das Verständnis dieser Norm ist aufgrund ihrer Genese in erster Linie die Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (BT-Drucks 18/10064, S. 16 ff.). Ziel der Regelung ist es danach, über die Kodifizierung der Rechtsprechung missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes durch nur vermeintlich selbstständige Tätigkeiten zu verhindern und zugleich die Rechtssicherheit der Verträge zu erhöhen.

Die Regelung beruht weitestgehend auf der Rechtsprechung des BAG, wobei man sich eng an den Wortlaut aktueller höchstrichterlicher Entscheidungen angelehnt hat. So finden sich die Aussagen teils im Originalton, teils in ähnlichen Formulierungen in Entscheidungen des 5., 9. und 10. Senats (vgl. nur aus jüngerer Zeit BAG, Urt. v. 21.7.2015 – 9 AZR 484/14; 25.9.2013 – 10 AZR 282/12; 25.5.2005 – 5 AZR 347/04) wieder. Pate gestanden hat insbesondere der 1. Leitsatz der Entscheidung des BAG vom 21.7.2015 (NZA-RR 2016, 344), in dem es wörtlich heißt: "Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbe...

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