Zuletzt wurde in ZAP F. 22 R, S. 959 ff. zur aktuellen Rechtsprechung zu Haftfragen berichtet. An diese Zusammenstellung schließt die nachfolgende Rechtsprechungsübersicht an (vgl. i.Ü. eingehend zu den mit den U-Haftfragen zusammenhängenden Problemen Burhoff, EV, Rn 2170 ff., 3695 ff.).

  • Akteneinsicht, Aufhebung des Haftbefehls: Art. 103 Abs. 1 GG beinhaltet im Falle einer Inhaftierung, dass der Beschuldigte sich im Rahmen einer mündlichen Haftprüfung zu denjenigen Umständen fundiert äußern kann, die zu diesem Zeitpunkt seine Inhaftierung tragen. Dies wiederum setzt bei einem verteidigten Beschuldigten voraus, dass der Verteidiger vor dem Haftprüfungstermin die Gelegenheit gehabt hat, zumindest Einsicht in diejenigen Aktenbestandteile zu haben, welche konstituierend für die Inhaftierung seines Mandanten sind. Ist das nicht der Fall, muss der Haftbefehl aufgehoben werden (AG Halle, Beschl. v. 2.11.2017 – 394 Gs 651 Js 32786/17 StRR 1/2018, 23 [s.o.]).
  • Außervollzugsetzung des Haftbefehls, Voraussetzungen: Wird in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern ein Haftbefehl wegen des Haftgrunds der Wiederholungsgefahr erlassen, kann dieser unter den Auflagen außer Vollzug gesetzt werden, dass der Beschuldigte sich in das Überwachungsprojekt "Elektronische Fußfessel" begibt und er den ihm im Rahmen dieser Überwachung auferlegten Weisungen nachkommt, sich jeglichen Kontakts zu ihm fremden Kindern zu enthalten und sich von Kindergärten und Schulen fernzuhalten (AG Wiesbaden StV 2017, 817 [Ls.]).
  • Außervollzugsetzung des Haftbefehls, Widerruf, Voraussetzungen: Voraussetzung für einen Vollzug des Haftbefehls gem. § 116 Abs. 4 StPO ist, dass durch das Zuwiderhandeln gegen Auflagen der Haftgrund wieder so verstärkt wird, dass der Haftbefehl vollzogen werden muss (LG Wiesbaden StV 2016, 817 [Ls.]). Die Auflage, allen Ladungen in dieser Sache pünktlich Folge zu leisten, ist als Anweisung nicht geeignet, den Zweck der Haft zu erreichen (§ 116 Abs. 3 StPO). Die bestehende Gefahr, dass der Beschuldigte erneut sexuelle Handlungen begeht, kann hierdurch nicht beeinflusst werden (LG Wiesbaden a.a.O.).
  • Beschleunigungsgebot, Allgemeines: Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und -gerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und zur Sicherstellung der etwaigen späteren Strafvollstreckung kann die U-Haft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Planung der Hauptverhandlung mit im Grundsatz durchschnittlich mehr als einem Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Insgesamt ist eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich. Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG StraFo 2013, 160 = StV 2013, 64; BGH, Beschl. v. 23.2.2017 – StB 4/17). Auch wenn die Sechs-Monats-Frist des § 121 StPO noch nicht abgelaufen ist, muss der Haftbefehl bereits aufgehoben werden, wenn nicht ersichtlich ist, dass das Verfahren bis zum Fristablauf weiter gefördert wird und der zuständige Richter die Sache neu verhandeln will (OLG Köln StV 2016, 824 [Ls.]).
  • Beschleunigungsgebot, Ermittlungsverfahren/Zwischenverfahren: Eine Überlastung des Gerichts kommt allenfalls dann als wichtiger Grund i.S.d. § 121 Abs. 1 StPO in Betracht, wenn sie kurzfristig ist und weder vorhersehbar noch vermeidbar war. Die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts kann dagegen niemals Grund für die Anordnung der Haftfortdauer sein. Vielmehr kann die nicht nur kurzfristige Überlastung eines Gerichts die Fortdauer der U-Haft selbst dann nicht rechtfertigen, wenn sie auf einem Geschäftsanfall beruht, der sich trotz Ausschöpfung aller gerichtsorganisatorischen Mittel und Möglichkeiten nicht mehr innerhalb angemessener Fristen bewältigen lässt. Die Überlastung eines Gerichts fällt – anders als unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse – in den Verantwortungsbereich der staatlich verfassten Gemeinschaft (OLG Bremen StV 2016, 824 [Ls.]). Eine unterbliebene Förderung des Verfahrens in einem Zeitraum von fast zwei Monaten ist bei einer Sache, die mit einem einzigen Aktenband (mit weniger als 200 Seiten) weder umfangreich ist noch besondere Schwierigkeiten aufweist und nach der Planung der zuständigen Kammer von nur eineinhalb Sitzungstagen einer Entscheidung zugeführt werden soll, nicht vertretbar (KG StV 2017, 828).
  • Beschleunigungsgebot, Hauptverhandlung: Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen b...

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