Der Umstand, dass eine Strafrichterin Termine an einem Samstag ablehnt, begründet ebenso wie die Beaufsichtigung ihres 9-jährigen Sohnes im Beratungszimmer des Gerichtssaals durch die offene Türe des Beratungszimmers noch nicht die Besorgnis der Befangenheit. Das ist das Fazit aus dem Beschluss des AG Bielefeld vom 5.12.2017 (39 Ds-6 Js 42/17-824/17, StRR 2/2018, 12). Ergangen ist dieser Beschluss in einem Verfahren, in dem dem Angeklagten ein Betrugsvorwurf gemacht wurde. Die Hauptverhandlung war wegen Nichterscheinens eines Zeugen ausgesetzt worden. Anschließend ist es den Verfahrensbeteiligten nicht gelungen, einen neuen Termin zu bestimmen. Der Verteidiger hatte Alternativtermine an Samstagen benannt, an denen das AG aber nicht terminiert hat. Nachdem der Verteidiger das Mandat niedergelegt hat, hat der Angeklagte über seinen neuen Verteidiger die Richterin als befangen abgelehnt. Begründet worden ist der Antrag mit der verweigerten Terminierung an einem Samstag. Während des Hauptverhandlungstermins habe sich ein Schulkind – der 9-jährige Sohn der Richterin – zur Beaufsichtigung durch diese im Beratungszimmer bei geöffneter Tür befunden. Zudem werde die Verteidigung durch die Terminsverfügungen ausgeschlossen.

Der Antrag hatte keinen Erfolg. Das AG hat Gründe, die eine Besorgnis der Befangenheit i.S.v. § 24 StPO begründen könnten, verneint. Zunächst könne aus der Terminierungsweise der Richterin nicht auf ihre Befangenheit geschlossen werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Verfahren im Frühjahr 2018 verjähre, so dass das Verfahren nun zeitlich beschleunigt geführt werden müsse. Der Richterin könne nicht vorgehalten werden, nur unzureichend auf die Terminslage des Verteidigers eingegangen zu sein. Dass ein Termin wegen Abwesenheit des Zeugen gescheitert sei, sei nicht von ihr zu vertreten. Dass die Richterin nicht an einem Samstag terminiert habe, könne ihr ebenfalls nicht vorgeworfen werden. Denn der Samstag sei kein regelmäßiger Sitzungstag. Unter Berücksichtigung des organisatorischen Folgeaufwands wie z.B. Sicherstellung der Beheizung im Gebäude, der Eingangssicherung, der möglichen Sicherung des Sitzungssaals und des Protokolldienstes bestehe kein Anspruch darauf, dass auch ein Samstag als Terminstag gewählt werde.

Auch der Umstand, dass sich während des Hauptverhandlungstermins ein Schulkind im Beratungszimmer aufgehalten und die Richterin die Tür zum Sitzungssaal geöffnet gehalten habe, führe nicht zu ihrer Befangenheit. Allerdings treffe es zu, dass dann, wenn der Richter der Sitzung nicht die volle Aufmerksamkeit widme, sondern sich parallel privaten Aufgaben zugewendet habe, eine Befangenheit angenommen werden könne. Wenn ein 9-jähriges Kind allein im Beratungszimmer spiele, weil an dem Tag die Kinderbetreuung nicht gewährleistet werden könne, lenke das als solches die Aufmerksamkeit der Richterin aber nicht ab. Dies wäre erst dann der Fall, wenn konkreter Betreuungsbedarf bestehe, welcher nicht eingetreten sei. Nicht vergleichbar sei dies mit dem vom BGH entschiedenen Fall der Handynutzung. Denn die Richterin habe in diesem Fall das Handy während der laufenden Sitzung genutzt, während der hier vorliegende Fall eher damit zu vergleichen sei, dass das Handy auf Rufbereitschaft gestellt und gelegentlich aufs Handy geschaut werde. Die bloße beiläufige Überwachung des Sitzungszimmers führe aber nicht zu einer Reduzierung der Aufmerksamkeit in der Hauptverhandlung.

Meines Erachtens kann man dem AG wegen der "Samstagsterminierung" folgen, wegen der Beaufsichtigung des Sohnes im Beratungszimmer während der laufenden Hauptverhandlung ist das aber kaum möglich. Insoweit hilft m.E. auch nicht der Hinweis des AG auf den Fall der Handynutzung einer Beisitzerin in einer landgerichtlichen Hauptverhandlung (vgl. BGH NJW 2015, 2986 = StRR 2015, 422). Denn der BGH hat in dieser Entscheidung die (Besorgnis der) Befangenheit der Richterin u.a. damit begründet, dass diese mit einer vorgefertigten SMS die Bereitschaft gezeigt habe, während der laufenden Hauptverhandlung Telekommunikation im privaten Bereich zu betreiben und diese privaten Belange über die ihr obliegenden dienstlichen Pflichten zu stellen. Anders kann man den Fall, in dem eine Richterin ihr Kind zur Hauptverhandlung mitbringt und im Beratungszimmer durch die geöffnete Tür zum Sitzungssaal beaufsichtigt, m.E. nicht sehen. Dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang die Richterin durch die Anwesenheit des Kindes abgelenkt war. Eine unbewusste Ablenkung liegt jedenfalls auf der Hand. Zudem wird durch die Vorgehensweise nach außen deutlich, dass die Richterin ggf. bereit ist, während der laufenden Verhandlung in privaten Dingen tätig zu werden. Was soll ein Angeklagter anderes davon halten, als dass die Richterin ihre privaten Angelegenheiten über die dienstlichen Dinge stellt?

 

Hinweis:

Das AG hätte besser die Frage der Zulässigkeit des Ablehnungsantrags und in dem Zusammenhang dessen Verspätung i.S.d. § 26a StPO diskutiert. Denn darüber konnte...

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