Für die Frage, ob eine schwierige Sach- und Rechtslage nach § 140 Abs. 2 StPO gegeben ist, ist auf den Zeitpunkt der Antragstellung für die Pflichtverteidigerbestellung abzustellen (LG Nürnberg-Fürth StRR 2015, 183). Kann die Hauptverhandlung ohne Aktenkenntnis nicht umfassend vorbereitet werden, begründet das die Schwierigkeit der Sachlage (LG Bielefeld StraFo 2016, 512; LG Leipzig, Beschl. v. 25.6.2013 – 8 Qs 22/13 – Insolvenzstrafverfahren; LG Magdeburg, Beschl. v. 2.6.2015 – 25 Qs 828 Js 75909/13 – schwierige Beweiswürdigung; LG Saarbrücken StraFo 2016, 513 – nach dem Inhalt der Anklageschrift sind acht Zeugen zu vernehmen, eine CD-ROM mit Videoaufzeichnung in Augenschein zu nehmen und Durchsuchungsberichte, ein Untersuchungsbericht hinsichtlich Spuren, eine Schadenaufstellung und ein Lieferschein als Urkunden zu verlesen).

Die Notwendigkeit der Verteidigung folgt aus der Schwierigkeit der Sachlage, wenn beim Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung (§§ 113, 223, 22, 52 StGB) das Ergebnis der Hauptverhandlung allein davon abhängt, ob das Gericht den Aussagen der Zeugen folgt, sämtliche Zeugen aber Polizeibeamte sind, wobei sich die dem Angeklagten zur Last gelegte versuchte Körperverletzung gegen einen der Polizeibeamten gerichtet hat (LG Bielefeld StraFo 2016, 512 zugleich auch zur Schwierigkeit der Rechtslage bei dem Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte). Stellt sich die Rechtslage im Hinblick auf die Frage der Verwertbarkeit von Beweismitteln, wie z.B. das Ergebnis einer Personendurchsuchung, als schwierig i.S.d. § 140 Abs. 2 StPO dar, liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor – unabhängig davon, ob tatsächlich von einem Verwertungsverbot auszugehen ist. Vielmehr ist die Frage ausreichend, ob ein Beweisergebnis einem Beweisverwertungsverbot unterliegt (LG Köln StraFo 2016, 341 = StRR 12/2016, 14). Eine Schwierigkeit der Rechtslage i.S.d. § 140 Abs. 2 StPO besteht insbesondere dann, wenn nicht abschließend geklärte Rechtsfragen namentlich aus Bereichen außerhalb des Kernstrafrechts entscheidungserheblich sind oder wenn die Subsumtion im Einzelfall problematisch ist (KG, Beschl. v. 9.2016 – (4) 121 Ss 231/15, StV 2016, 478). Dies richtet sich insbesondere nach der Strafbarkeit bei rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit der Bilanzerstellung; zur Beiordnung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger wegen Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage in einem Steuerstrafverfahren, wobei in dem vorausgegangenen Besteuerungsverfahren vier voneinander abweichende Wertgutachten eingereicht worden sind, auf deren Bewertung es im Strafverfahren ankommt (LG Magdeburg StraFo 2016, 252). Verfolgt die Staatsanwaltschaft mit der Berufung die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe anstatt einer Geldstrafe, ist für das weitere Verfahren wegen Schwierigkeit der Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers (§ 140 Abs. 2 StPO) geboten (OLG Naumburg StraFo 2016, 207).

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