Hervorhebenswert für die Rechtspraxis ist weiterhin, dass Art. 14 Abs. 6 S. 1 der Richtlinie eine "Mindestfrist" von sieben Tagen vorsieht, damit der Verbraucher "ausreichend Zeit" hat, "um die Angebote zu vergleichen, ihre Auswirkungen zu bewerten und eine fundierte Entscheidung zu treffen". Diese "Bedenkzeit" ermöglicht eine nationale Umsetzung entweder in Gestalt eines verbraucherschützenden Widerrufsrechts (vergleichbar anderen EU-Richtlinien, wie etwa der Richtlinie 2002/65/EG) oder einer "Karenzzeit", vor deren Ablauf der Verbraucher wirksam keinen Kreditvertrag schließen kann, s. Art. 14 Abs. 6 S. 2 WIKrRL.

 

Hinweis:

Ein verbraucherschützendes Widerrufsrecht sieht Art. 14 Abs. 6 S. 2 WIKrRL explizit als Möglichkeit vor, wobei sich die Mitgliedstaaten grundsätzlich zwischen einer "Bedenkzeit vor Abschluss des Kreditvertrags" oder für ein Widerrufsrecht entscheiden können (Satz 2).

Sofern die nationale Umsetzung in Gestalt einer solchen "Bedenkzeit" erfolgt, bleibt das Angebot während dieses Zeitraums für den Kreditgebers "verbindlich", so dass es der Verbraucher jederzeit während dieser Zeitspanne annehmen kann (vgl. Art. 14 Abs. 6 S. 3 WIKrRL sowie zum deutschen Recht §§ 145, 146, 148 BGB). Die Richtlinie sieht angesichts der vorgenannten Mindestfrist die Möglichkeit vor, dass die Mitgliedstaaten die Bedenkzeit auch verlängern können. Es kann ebenfalls im nationalen Recht geregelt werden, dass der Verbraucher das Angebot (das vom ESIS-Merkblatt flankiert sein muss gem. Art. 14 Abs. 3 WIKrRL) während einer Frist von maximal zehn Tagen nicht annehmen kann, Art. 14 Abs. 6 S. 4 WIKrRL. Folglich liegt es hier in der Gestaltungsmöglichkeit des nationalen Gesetzgebers, ein verbraucherschützendes Widerrufsrecht einzuführen. Erfolgt dies, so ist dieses gemäß WIKrRL jedoch vorrangig gegenüber dem Widerrufsrecht der Richtlinie 2002/65/EG über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen (s. deren Art. 6 Abs. 1), vgl. zur Konkurrenzregelung Art. 14 Abs. 6 S. 6 WIKrRL. Problematisch ist jedoch, dass die diesbezügliche Widerrufsfrist vierzehn Tage beträgt (s. Art. 6 Abs. 1 S. 1 Fernabsatzrichtlinie), so dass die Widerrufsfristen (sieben gegenüber vierzehn Tagen) differieren (s. dazu auch krit. Rott BKR 2015, 8 ff., 11 m.w.N.). Möglich ist jedoch, dass sich die Mitgliedstaaten auch für eine längere Widerrufsfrist gemäß WIKrRL entscheiden können (s. Art. 14 Abs. 6 S. 1 WIKrRL: "mindestens"). Ebenso möglich ist jedoch eine nationale Umsetzungskombination von "Bedenkzeit" und Widerrufsrecht nach Art. 14 Abs. 6 S. 2 WIKrRL (dieses Modell hat der deutsche Gesetzgeber gewählt, s. § 495 Abs. 1 bis 3 BGB, dazu nachfolgend unten III. 1. c). Hinzuweisen ist darauf, dass das ESIS-Merkblatt die Verbraucherinformation über die Bedingungen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufs vorsieht (s. Merkblatt als Anhang II zur WIKrRL, Teil A, Nr. 11). Es fehlen jedoch Richtlinienvorgaben bezüglich der Widerrufsfolgen; die Mitgliedstaaten haben insoweit also nationalen Umsetzungsspielraum.

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