Und nochmals: Pflichtverteidiger aufgepasst ist auch das Fazit aus dem Beschluss des LG Berlin vom 14.12.2015 (534 Qs 142/15). In dem Verfahren hat das LG – anders als zuvor das AG – die "Unfähigkeit zur Selbstverteidigung" i.S.d. § 140 Abs. 2 StPO bejaht. Begründung war, dass der Beschuldigte unter Betreuung mit dem "Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden" stand und das LG davon ausgegangen ist, dass die Verteidigungsfähigkeit eingeschränkt und dem Beschuldigten deshalb nach § 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger zu bestellen war. Hinzu kam, dass der Beschuldigte aufgrund eines Morbus Parkinson, der zu einer motorischen Sprachstörung geführt hat, in seiner sprachlichen Kommunikationsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war. Das LG hat ihn deshalb als sprachbehindert i.S.v. § 140 Abs. 2 S. 2 StPO angesehen (zur Beiordnung wegen Unfähigkeit der Selbstverteidigung Burhoff, EV, Rn 2901 ff. m.w.N.).

Aber nicht deshalb "Verteidiger aufgepasst", sondern wegen einer anderen vom LG angesprochenen Frage. Das LG hat sich nämlich auch mit der Zulässigkeit der Beschwerde (des Verteidigers) befasst. Die Staatsanwaltschaft war davon ausgegangen, dass das Rechtsmittel unzulässig ist, weil der Verteidiger die Beschwerde im eigenen Namen eingelegt hatte (vgl. für den nicht beigeordneten Rechtsanwalt: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 142 Rn 19 m.w.N. [im Folgenden kurz: Meyer-Goßner/Schmitt). Gemäß § 297 StPO dürfe nämlich ein Wahlverteidiger grundsätzlich aus eigenem Recht und im eigenen Namen Rechtsmittel einlegen, soweit er dabei nicht gegen den Willen des Beschuldigten verstoße (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 297 Rn 3).

Hinsichtlich dieser Argumentation bestehen meiner Auffassung nach Bedenken. Nach allgemeiner Meinung hat nämlich der nicht beigeordnete Rechtsanwalt kein eigenes Beschwerderecht gegen die Ablehnung seiner Bestellung (vgl. Burhoff, EV, Rn 2980 ff. m.w.N.). M.E. hätte das LG daher hier anders argumentieren müssen und die Beschwerde dahin auslegen können/müssen, dass der Verteidiger sie im Namen des Beschuldigten, dem ein Beschwerderecht gegen die Ablehnung der Bestellung eines Pflichtverteidigers zusteht, eingelegt hat.

 

Hinweis:

Als Verteidiger sollte man das fehlende eigene Beschwerderecht im Übrigen in diesen Fällen immer im Auge haben. Sonst besteht die Gefahr, dass ggf. das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen wird. Das zeigt sich auch hier: Die Staatsanwaltschaft hatte Zurückweisung als unzulässig beantragt. Der "good will" des Gerichts sollte nicht überstrapaziert werden.

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