Der BGH (Beschl. v. 17.6.2015 – 2 StR 139/14, StraFo 2015, 515) ist in einem Verfahren mit dem Vorwurf des schweren Raubes ergangen. In dem hatten die Vorsitzende der Strafkammer und die Berichterstatterin in der Zeit zwischen dem vorletzten und dem letzten Sitzungstag – nach den Schlussvorträgen – eine Vorberatung durchgeführt. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Sache hinsichtlich eines zweiten Anklagevorwurfs gegen den Angeklagten noch nicht entscheidungsreif sei. Sie beabsichtigten, das Verfahren insoweit nach § 154 Abs. 2 StPO einzustellen, falls die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Antrag stellen würde. Die Vorsitzende bat die Berichterstatterin, den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft anzurufen, ihn über das Ergebnis der Zwischenberatung der Berufsrichter zu informieren und ihn zu fragen, ob er mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden sei. Die Berichterstatterin telefonierte mit dem Staatsanwalt, der einen Einstellungsantrag ankündigte. Die Verteidiger wurden hierüber zunächst nicht informiert. Im nächsten Hauptverhandlungstag trat das Gericht erneut in die Beweisaufnahme ein, worauf der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens über den zweiten Tatvorwurf gegen den Angeklagten beantragte. Dazu erhielten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme. Dabei teilte die Vorsitzende mit, dass die Frage der Teileinstellung des Verfahrens im Vorfeld mit der Staatsanwaltschaft geklärt worden sei. Diese Mitteilung wurde aber nicht im Protokoll der Hauptverhandlung vermerkt. "Nach Beratung am Tisch" beschloss die Strafkammer die Teileinstellung des Verfahrens hinsichtlich des zweiten Anklagepunktes. Es folgten eine Wiederholung der Schlussvorträge, die Erteilung des letzten Wortes an die Angeklagten, die Urteilsberatung und -verkündung.

Der BGH (a.a.O.) hat das Verfahren als rechtsfehlerhaft beanstandet. Nach seiner Auffassung unterliegen nach Sinn und Zweck der für das Verständigungsverfahren nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. NJW 2013, 1058) geltenden Transparenz- und Dokumentationsregeln auch Gespräche von Richtern mit Verfahrensbeteiligten über eine Teileinstellung des Verfahrens der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO. Dies müsse auch deshalb gelten, weil die Teileinstellung gem. § 154 Abs. 2 StPO ohne Verletzung des Verbots der Verständigung über den Schuldspruch gem. § 257c Abs. 2 S. 1 StPO (krit. LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 257c Rn 29) Gegenstand einer förmlichen Verständigung sein könne (vgl. BeckOK-StPO/Eschelbach, 21. Ed., § 257c Rn 16; Meyer-Goßner/Schmitt, § 257c Rn 13; Moldenhauer/Wenske in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 257c Rn 15 [im Folgenden kurz: KK/Bearbeiter]; SK/Velten, StPO, 4. Aufl., § 257c Rn 11). Hier wäre es demnach nach Auffassung des BGH erforderlich gewesen, in der Hauptverhandlung darauf hinzuweisen, dass das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung mit der Staatsanwaltschaft die fehlende Entscheidungsreife des Verfahrens hinsichtlich des zweiten Anklagepunktes sowie die Möglichkeit einer Teileinstellung des Verfahrens besprochen und die Staatsanwaltschaft einem solchen Vorgehen zugestimmt hatte. Dieser Hinweis hätte sodann in das Protokoll der Hauptverhandlung aufgenommen werden müssen. Die genaue Mitteilung und Dokumentation des Vorgangs sei – so der BGH – auch deshalb angezeigt, weil ein Wahlverteidiger, der für den letzten Verhandlungstag nur noch mit der Urteilsverkündung rechnete, dann nicht mehr anwesend war. Dieser Verteidiger habe aus eigenem Recht eine Rechtsmittelbefugnis für die Urteilsanfechtung; er müsse auch deshalb den Vorgang nachvollziehen können.

 

Hinweis:

Dafür, dass auch die Frage einer Teileinstellung (zulässiger) Inhalt einer Verständigung sein kann, spricht der Gang des Gesetzgebungsverfahrens zum Verständigungsgesetz 2009. Ein Gesetzentwurf des Bundesrats, wonach die §§ 154 ff. StPO ausdrücklich von einer Verständigung unberührt bleiben sollten (§ 243a Abs. 2 S. 3 StPO des Entwurfs in BT-Drucks 16/4197), ist nicht Gesetz geworden (SSW-StPO/Ignor, 2. Aufl. 2015, § 257c Rn 58). Das spricht dafür, auch die Einstellung nach § 154 StPO als "verständigungszulässig" anzusehen. Dann muss darüber aber auch in der Hauptverhandlung nach § 243 Abs. 4 StPO informiert werden.

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