Bislang sind elektronische Akten in den Gerichten nur in einigen Pilotverfahren im Einsatz. Nunmehr hat sich das BMJV entschlossen, den Weg zur verbindlichen Einführung der elektronischen Akte im Strafverfahren zu beschreiten und einen Referentenentwurf vorgelegt, dessen wichtigste Regelungen hier vorgestellt werden sollen.

1. Erfahrungen mit der sog. elektronischen Zweitakte

Wesentlicher Grund für diese Vorgehensweise ist, dass in der Strafgerichtsbarkeit bereits praktische Erfahrungen in den Staatsanwaltschaften und Gerichten mit dem Einsatz der sog. elektronischen Zweitakte vor allem in Umgangsverfahren bestehen. Hier hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass derartige Verfahren mit einem Aktenumfang von teilweise mehreren Hundert Ordnern deutlich besser mit elektronischer Unterstützung durchgeführt werden können als auf herkömmliche Weise mit der Arbeit auf Papier. Mitunter ist der Umfang der Papierakten so groß, dass der Sachverhalt gar nicht mehr ohne Computerunterstützung aufgeklärt und für das Verfahren aufbereitet werden kann.

Bei diesen elektronischen Zweitakten konnte man allerdings die Vorteile der Elektronik voll ausnutzen, ohne auf die Einhaltung besonderer formaler Vorgaben Rücksicht nehmen zu müssen. Denn die "echte", rechtlich verbindliche Akte war immer noch die – papiergebundene – "Erst"-Akte. Damit wurde zwar letztlich praktisch nicht mehr gearbeitet, sie enthielt jedoch unter Wahrung der gesetzlichen Formalien alle rechtswirksamen Erklärungen in Papierform.

Soll in Zukunft auf die "elektronische Erst-Akte" umgestellt werden, also ohne dass noch Papier im Hintergrung vorhanden ist, muss gewährleistet werden, dass alle verfahrensrelevanten Erklärungen, die nur noch elektronisch gespeichert werden, dennoch den strengen Formalien des Verfahrensrechts genügen.

2. Einheitliche Vorgaben für die elektronische Akte

Um sicherzustellen, dass die Akten einheitlich geführt und auch zwischen Gerichten und Staatsanwaltschaften der verschiedenen Bundesländer ausgetauscht werden können, sollen die notwendigen Einzelheiten durch – noch zu erarbeitende – Rechtsverordnungen geregelt werden.

Entsprechende Regelungen muss es aber in andere Richtungen geben, denn die Justiz arbeitet auch mit den verschiedensten Behörden zusammen, die mehr und mehr auch ihre Akten elektronisch führen. Zu denken ist dabei einmal an Bußgeldbehörden, die Polizei, die Steuerfahndung und der Zoll als "Zulieferer" der Staatsanwaltschaft, aber auch am Verfahren beteiligte Behörden wie z.B. im Strafverfahren die Bewährungshilfe und die Jugendgerichtshilfe oder die Jugendämter in familiengerichtlichen Verfahren. Und bei den Fachgerichtsbarkeiten – also den Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichten ist immer einer der Verfahrensbeteiligten eine Behörde oder eine "öffentliche Stelle". Hier besteht noch ein großes Aufgabenfeld darin, auch in diese Richtungen eine einheitliche Struktur für den Austausch der elektronischen Akten sicherzustellen.

3. § 32d StPO-E: Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente

Für Staatsanwaltschaften, Verteidiger und Rechtsanwälte soll eine Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente eingeführt werden, allerdings beschränkt auf die folgenden, in Satz 1 der Vorschrift abschließend aufgeführten Verfahrenserklärungen:

  • die Anklageschrift,
  • den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls außerhalb einer Hauptverhandlung,
  • die Privatklage,
  • die Berufung und ihre Rechtfertigung,
  • die Revision und ihre Begründung sowie die Gegenerklärung.

Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, ist eine Übermittlung in Papierform zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (§ 32d S. 2, 3 StPO-E).

Auch hier kann damit bei technischen Störungen auf die Übermittlung in Papierform ausgewichen werden, solange – etwa wegen eines Serverausfalls – die elektronische Übermittlung vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich ist. Unerheblich ist dabei, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit beim Gericht oder beim Einreichenden zu suchen ist. Denn auch ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts soll den Verfahrensbeteiligten nicht zum Nachteil gereichen.

Geregelt wird damit aber auch den Fall, dass Anträge in der Hauptverhandlung gestellt werden, die – weil der Anwalt keinen Computer mitführen muss (ebenso der Nebenkläger oder Angeklagte) – handschriftlich gestellt werden. Sie müssten dann – soweit erforderlich – abgeschrieben und zur Akte gebracht werden. Das Original ist dann mindestens sechs Monate aufzubewahren.

Auf Anforderung der Behörde oder des Gerichts sind Staatsanwaltschaft, Verteidiger und Rechtsanwälte verpflichtet, nachträglich eine Einreichung in elektronischer Form vorzunehmen. Damit werde erreicht, dass für die elektronische Akte des Gerichts bzw. der Behörde auch ein originär elektronisches Dokument zur Verfügung steht, nicht nur das eingescannte Papierdokument. Ob dies bei Beweisanträgen, die in der mündlichen Verhandlung gestellt werden, auch verlangt werden kann, ist allerdings fraglich.

4. § 32f StPO-E: Form der Akteneinsicht

Für die Praxis des Strafverteidigers sind die Regelungen zur...

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