Wir sind seit Hunderten von Jahren an die Arbeit mit Papierdokumenten gewöhnt. Wir wissen intuitiv, wie man Papierakten liest und darin arbeitet, ohne dass uns das jemals richtig erklärt worden ist. Das "macht man einfach so".

Wird über die Entwicklung und Einführung einer elektronischen Akte diskutiert, stellt sich sehr schnell heraus, dass hier noch keine einheitlichen Vorstellungen bestehen. Der genaue Inhalt einer Akte – auch wenn sie in Papierform geführt wird – ist keinesfalls vollständig und einheitlich definiert, sondern wird weitgehend von langjähriger Übung und Gewohnheiten geprägt.

Zwar gibt es theoretisch-dogmatische Grundsätze über die Führung einer Akte: Genannt werden die Rechtsprinzipien der Aktenklarheit und der Aktenwahrheit. Das bedeutet – vereinfachend dargestellt –, dass alle entscheidungserheblichen Schritte in der Akte nachvollziehbar festgehalten sein müssen. In der vielfältigen Praxis bestehen aber hier erhebliche Umstände in der tatsächlichen Handhabung. Wer als Anwalt oder Anwältin Akten zur Einsicht von verschiedenen Gerichten erhält, kann dies sicher bestätigen, obwohl für alle Gerichte die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen gelten. Dies erstreckt sich von der inneren Ordnung der Akte (Foliierung = Notieren von Seitenzahlen), auf die äußere Ordnung (Führung von Beiheften oder Sonderheften) bis hin zum Zusammenhalt durch Heftung, Büroklammern oder gar den "Badischen Aktenknoten"). Bereits die Papierakte wird also schon weitgehend von Gewohnheiten geprägt, von denen man sich nur sehr wiederwillig trennen möchte, auch wenn der sachliche Grund für eine bestimmte Behandlungsweise längst in Vergessenheit geraten ist.

Versucht man eine elektronische Lösung, muss Vieles – zumindest für die technisch-organisatorische Umsetzung – genauer geregelt bzw. definiert werden, was man bislang einfach "immer so gemacht" hat.

Eine Aktenführung in elektronischer Form bietet daher eine bunte Mischung von rechtlichen, technischen und organisatorischen Aspekten:

  • Was ist eigentlich "die Akte"?
  • Was gehört hinein, was muss darin blieben und was daraus entfernt werden?
  • Welche Teile stehen zur Akteneinsicht zur Verfügung, welche gehören nur zur internen Bearbeitungsebene des Gerichts?
  • Wie muss ggf. eine Akteneinsicht technisch-organisatorisch bewerkstelligt werden?
  • Wie kann eine gerichtliche Akte an eine andere Stelle abgegeben werden, z.B. an das Rechtsmittelgericht, an einen Sachverständigen, bei einer Verweisung an ein anderes Gericht oder bei einer Vernehmung eines Beteiligten durch ein Rechtshilfegericht?

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