– Unter Berücksichtigung der zum 1.1.2015 in Kraft getretenen Regelungen

I. Einleitung

Im Steuerstraf- und Bußgeldrecht bietet der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen die Gelegenheit, durch eine Selbstanzeige noch nach Beendigung der Tat Straffreiheit zu erlangen. Allerdings sind die Hürden für eine wirksame Selbstanzeige durch Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180 = wistra 2010, 304) und Gesetzgeber zuletzt verschärft worden. Nach einer Novellierung des Selbstanzeigerechts im Jahr 2011 (Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, BGBl. I 2011, S. 676) sind mit Wirkung zum 1.1.2015 erneut Gesetzesänderungen in Kraft getreten (Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung, BGBl. I 2014, S. 2415). Dabei ist die Nacherklärungspflicht auf zehn Jahre verlängert, Sperrtatbestände ausgedehnt, die Nachzahlungspflicht auf Hinterziehungszinsen erweitert und der Strafzuschlag nach § 398a AO erhöht worden. In Sonderkonstellationen lässt das Gesetz zugunsten des Steuerpflichtigen wieder Teilselbstanzeigen zu.

Die Neuregelungen sind am 1.1.2015 in Kraft getreten und gelten damit zunächst für alle ab diesem Zeitpunkt abgegebenen Selbstanzeigen. Besondere Übergangsvorschriften sieht das Gesetz nicht vor. Soweit die in der Selbstanzeige offenbarten Steuerstraftaten noch nicht verjährt sind bzw. soweit über die Selbstanzeigen noch nicht abschließend entschieden ist, kann die Neufassung damit auch für Nacherklärungen anwendbar werden, die vor dem 1.1.2015 abgegeben worden sind, insbesondere soweit die Selbstanzeige noch nicht abschließend bearbeitet wurden. Hier kommt § 2 Abs. 3 StGB ins Spiel, wonach die jeweils für den Betroffenen günstigste Regelung zur Anwendung gelangt (Joecks DStR 2014, 2261; Schwartz PStR 2015, 37; BT-Drucks. 18/3439, S. 7).

 

Hinweis:

Auch für die zahlreichen vor dem 1.1.2015 erstatteten Selbstanzeigen kann die Neuregelung (in Form der im Vergleich zur älteren Gesetzesfassung begünstigenden Regelungen) daher relevant werden.

II. Grundlagen

Mit der Selbstanzeige werden zwei grundlegende gesetzgeberische Ziele verfolgt. Zum einen sollen dem Staat verheimlichte Steuerquellen erschlossen werden (fiskalischer Zweck; BGH, Urt. v. 5.5.2004 – 5 StR 548/03, BGHSt 49, 136 = wistra 2004, 309; Klein, AO, 12. Aufl., § 371 Rn. 2), zum anderen soll mit der Möglichkeit der Straffreiheit die Rückkehr zur vollständigen Steuerehrlichkeit honoriert werden (strafrechtlicher Ehrlichkeitsbonus, BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180 = wistra 2010, 304 = NStZ 2010, 642; Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, Loseblatt, § 371 Rn. 2a). Diese Leitprinzipien sind bei der Auslegung des Selbstanzeigerechts zu berücksichtigen, wobei die Rechtsprechung den Honorierungsgedanken zunehmend in den Vordergrund rückt. Diese neue Akzentuierung führt dazu, dass die Selbstanzeige als Ausnahmevorschrift restriktiv und die einschränkenden Sperrtatbestände weit ausgelegt werden (BGH, Beschl. v. 20.5.2010 – 1 StR 577/09, BGHSt 55, 180).

Die strafbefreiende Selbstanzeige ist persönlicher Strafaufhebungsgrund (BGH, Urt. v. 24.10.1984 – 3 StR 315/84, wistra 1985, 74; Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 371 Rn. 32). Sie entfaltet nur zugunsten desjenigen, der in seiner Person die Voraussetzungen für die Strafbefreiung erfüllt, Wirksamkeit (MüKo, Nebenstrafrecht II, 1. Aufl., § 371 Rn. 9).

"Selbstanzeigefähig" sind sämtliche Erscheinungsformen der Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 1 AO, § 370 Abs. 6 AO, § 370 Abs. 3 AO, die jeweils nur versuchte Tat sowie die Teilnahme an den genannten Taten (§§ 26, 27 StGB; MüKo, Nebenstrafrecht II, 1. Aufl., § 371 Rn. 27, 29, 32).

Bei leichtfertiger Steuerverkürzung nach § 378 AO greift die bußgeldrechtliche Selbstanzeige (§ 378 Abs. 3 AO) ein. Anders als § 371 AO ist § 378 Abs. 3 AO kaum verschärft worden und bietet so für den Steuerpflichtigen erhebliche Vorteile (geringere Vollständigkeitsanforderungen, nur ein Sperrtatbestand, keine Hinterziehungszinszahlung, kein Strafzuschlag). Daher ist die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz (dann §§ 371, 398a AO-Selbstanzeige) und Leichtfertigkeit (dann § 378 Abs. 3 AO-Selbstanzeige) für die Praxis noch wichtiger als früher.

III. Inhalt, Voraussetzungen und Form (§ 371 Abs. 1 AO)

1. Nacherklärende Person

Selbstanzeige kann der Täter einer Steuerhinterziehung, der Teilnehmer (Spatscheck DB 2013, 1073), aber auch jeder Dritte erstatten. Insofern kann sich der Täter (bspw. durch einen Rechtsanwalt bzw. Steuerberater) vertreten lassen. Wird die Selbstanzeige nicht durch den Steuerpflichtigen selbst erstattet, hat sie allerdings nur dann strafaufhebende Wirkung, wenn dem Dritten zuvor Auftrag und Vollmacht hierfür erteilt wurden (BGH, Urt. v. 24.10.1984 – 3 StR 315/84, wistra 1985, 74; Spatscheck DB 2013, 1073). Wird die Vertretung nach außen nicht offenbart, so dass der Täter letztlich unbekannt bleibt, liegt eine verdeckte Stellvertretung vor. Deren Zulässigkeit wird wegen der auf den Steuerpflichtigen persönlich bezogenen Selbstanzeigeregelungen (Zahlungsfristsetzung, Strafzuschlagsanordnung) zunehmend i...

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