Nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist eine Unterbringung des Betreuten, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt. Eine Unterbringung, die einen erheblichen Grundrechtseingriff bedeutet, kommt nur in Betracht, wenn der Betroffene seinen Willen nicht frei bestimmen kann und infolgedessen sich oder andere gefährdet.

a) Rechtliches Gehör und faires Verfahren

Nach § 319 Abs. 1 S. 1 FamFG hat das Gericht den Betroffenen vor einer Unterbringungsmaßnahme persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Das BVerfG (FamRZ 2018, 1025 = NJW 2018, 2186) betont, dass in solchen Fällen dem Recht des Betroffenen, auf die Sachverhaltsermittlung und Entscheidungsfindung des zuständigen Betreuungsgerichts in Anhörungen und Stellungnahmen einwirken zu können, besondere Bedeutung zukommt. Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des gerichtlichen Verfahrens sein, sondern er soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können. Der im Grundgesetz verankerte Anspruch auf rechtliches Gehör schützt so auch vor Überraschungsentscheidungen (vgl. BVerfG, FamRZ 2003, 995). Wegen der zentralen Bedeutung der persönlichen Anhörung ist die Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig (BGH NJW 2018, 2566). Auch im Beschwerdeverfahren reicht die Anhörung lediglich durch ein beauftragtes Mitglied der Kammer nicht aus, wenn der bei der Anhörung gewonnene persönliche Eindruck maßgebliches Kriterium für die von der Beschwerdekammer getroffenen Entscheidung ist (BGH NJW 2018, 3787). In Fortführung seiner Rechtsprechung (BGH FamRZ 2017, 2056) hat der BGH (FamRZ 2018, 1947) herausgestellt, dass darüber hinaus eine Zwangsmaßnahme gem. § 1906a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BGB nur dann zulässig ist, wenn zuvor ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks versucht worden ist, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat das Gericht in jedem Einzelfall festzustellen und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise darzulegen.

 

Hinweis:

Der Anspruch auf ein faires Verfahren gebietet es, einen anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen im Falle der Erledigung der Hauptsache auf die Möglichkeit hinzuweisen, seinen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsanordnung umzustellen (BGH NJW 2018, 2566).

b) Alkoholkranker

Der BGH (FamRZ 2018, 1691 = FuR 2018, 596) erläutert, dass Alkoholismus für sich gesehen keine psychische Krankheit bzw. Behinderung i.S.v. § 1906 BGB ist und auch die bloße Rückfallgefahr eine Unterbringung nicht rechtfertigt. Etwas anderes gilt, wenn der Alkoholismus entweder im ursächlichen Zusammenhang mit einem geistigen Gebrechen steht oder ein auf den Alkoholmissbrauch zurückzuführender Zustand eingetreten ist, der das Ausmaß eines geistigen Gebrechens erreicht hat. Das von der Verfassung geschützte Recht, Hilfe zurückzuweisen, hat seine Grenze, soweit dadurch nicht Rechtsgüter anderer oder der Allgeneinheit in Mitleidenschaft gezogen werden.

Autor: RiAG a.D. Kurt Stollenwerk, Bergisch Gladbach

ZAP F. 11 R, S. 187–200

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