I. Einleitung

Mit der Reform des Bauvertragsrechts (dazu Ring ZAP F. 5, S. 251) – infolge des Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren vom 4.5.2017 (BGBl I, S. 969) – hat auch die kaufrechtliche Mängelgewährleistung zum 1.1.2018 wesentliche Änderungen erfahren. Dabei kommt der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 439 Abs. 3 BGB (unter IV.) zwar den Vorgaben des EuGH nach (s. II. 1. – Rechtssache Weber/Putz zum Aus- und Einbau im Zusammenhang mit der Nacherfüllung), er weicht jedoch mit der Gesetz gewordenen reinen Aufwendungsersatzlösung von der bisherigen BGH-Rechtsprechung (BGHZ 192, 148) im Nachgang zur EuGH-Entscheidung ab (II. 2.).

II. Ausgangslage

Das EuGH-Urt. v. 16.6.2011

Mit Urteil vom 16.6.2011 hat der EuGH in der Rechtssache Weber und Putz (C-65/09 und 87/09, NJW 2011, 2269) auf eine Vorlage des BGH vom 14.1.2009 (VIII ZR 70/08, NJW 2009, 1660) entschieden, dass der Verkäufer einer beweglichen Sache im Rahmen der Nacherfüllung gegenüber dem Verbraucher verpflichtet sein kann, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und eine mangelfreie Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen. Damit hat der EuGH eine Ausweitung des Nacherfüllungsanspruchs des Verbrauchers gegenüber der bis dato geübten Rechtspraxis in Deutschland vollzogen.

Der BGH hatte bis zur Entscheidung des EuGH angenommen, dass der Nacherfüllungsanspruch des Käufers als Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs zu begreifen sei (vgl. § 433 Abs. 1 S. 2 BGB) mit der Folge, dass der Anspruch auf Nacherfüllung in seinem Umfang nicht weiter reichen könne als der ursprüngliche Anspruch auf Erfüllung (BGH v. 15.7.2008 – VIII ZR 211/07, BGHZ 177, 224 – Parkettstäbe). Der Erfüllungsanspruch gehe nach § 433 Abs. 1 BGB regelmäßig aber nur auf Übereignung und Übergabe einer mangelfreien Kaufsache. Der BGH wollte infolgedessen dem Verbraucher einen Ersatz weitergehender Kosten gegen den Verkäufer, verursacht durch den Ausbau einer mangelhaften und den Einbau einer mangelfreien Kaufsache nur gewähren, wenn die weitergehenden Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach den §§ 437 Nr. 3, 440, 280 ff. BGB vorliegen – der Verkäufer also nach § 280 Abs. 1 BGB insbesondere schuldhaft gehandelt hatte.

Nach Ansicht des EuGH (Rs. Weber/Putz a.a.O.) erfasst hingegen bereits der Nacherfüllungsanspruch des Verbrauchers nach § 437 Nr. 1 BGB in seiner Auslegung nach den Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 1999/44 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (VerbrGKRL) auch den Ausbau der mangelhaften Kaufsache und den Einbau einer mangelfreien Ersatzsache.

Richtlinienkonforme Rechtsfortbildung des BGH durch teleologische Reduktion

Der BGH (BGHZ 192, 148 = NJW 2012, 1072) hatte im Nachgang zur Entscheidung des EuGH in richtlinienkonformer Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB anerkannt, dass die Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" auch den Ausbau und den Abtransport der mangelhaften Kaufsache erfasst. Zugleich hatte er konstatiert, dass das in § 439 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. dem Verkäufer eingeräumte Recht, die einzig mögliche Form der Abhilfe wegen (absolut) unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, mit Art. 3 VerbrGKRL nicht vereinbar sei. Die dadurch auftretende Regelungslücke sei bis zu einer gesetzlichen Neuregelung durch eine teleologische Reduktion des § 439 Abs. 3 BGB a.F. für Fälle des Verbrauchsgüterkaufs zu schließen. Die Vorschrift sei beim Verbrauchsgüterkauf einschränkend dahingehend anzuwenden, dass ein Verweigerungsrecht des Verkäufers nicht bestehe, wenn nur eine Art der Nacherfüllung möglich ist oder der Verkäufer die andere Art der Nacherfüllung zu Recht verweigert. In diesen Fällen beschränke sich das Recht des Verkäufers, die Nacherfüllung in Gestalt der Ersatzlieferung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern, auf das Recht, den Käufer bezüglich des Ausbaus der mangelhaften Kaufsache und des Einbaus der als Ersatz gelieferten Kaufsache auf die Kostenerstattung in Höhe eines angemessenen Betrags zu verweisen. Bei der Bemessung dieses Betrags seien der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels zu berücksichtigen. Zugleich sei zu gewährleisten, dass durch die Beschränkung auf eine Kostenbeteiligung des Verkäufers das Recht des Käufers auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten nicht ausgehöhlt werde.

III. Überblick über die Neuregelungen

Zur Verbesserung der Rechtsposition des Werkunternehmers, der mangelhaftes Baumaterial gekauft hat, und zur Anpassung der BGB-Vorschriften zur kaufrechtlichen Mängelhaftung an die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Weber und Putz (s. unter II. 1.) sind im Kaufrecht infolge der Reform des Bauvertragsrechts folgende entscheidende Änderungen erfolgt:

  • In § 439 BGB ist ein neuer Anspruch des Käufers auf Aufwendungsersatz für Ein- und Ausbauleistungen aufg...

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