Ob Karneval, Fasnacht oder Fasching, die närrische Zeit beginnt meist zünftig und endet gelegentlich ernüchternd – vor dem Richter. Wenn etwa ein Rosenmontagsumzug ernsthafte Folgen hat, fallen diese halt nicht in die Kompetenz eines Narrenrichters. Zwar gibt es besonders im deutschen Südwesten, etwa im alemannischen Stockach und in Konstanz, berühmt-berüchtigte Narrengerichte. Diese sind aber weder für Schmerzensgeld noch für sonstige Schadenersatzforderungen zuständig.

Wer von dem vor Jahrhunderten gegründeten "Hohen Grobgünstigen Narrengericht" oder vom "Jakobiner-Tribunal" am Bodensee verurteilt wird, muss vielmehr nur mit einer symbolischen Strafzahlung rechnen. So wie im Februar 2014 der baden-württembergische Ministerpräsident, der für "politische Untaten" mehrere Eimer Wein ans Stockacher Gericht zu liefern hatte.

Richter ohne Narrenkappe sehen die Folgen von Umzugsunfällen, scheuenden Pferden oder ins Auge gehenden Bonbonwürfen selten von der humoristischen Seite. Immer wieder muss die Zivilgerichtsbarkeit, vor allem in den rheinischen Karnevalshochburgen, über schadenstiftende Vorkommnisse rechtsprechen. Etwa ob in die Zuschauer geworfene Süßwaren "gefährliche Wurfgeschosse" sind – oder ob man sie als "harmlose Kamellen" betrachten kann.

Das Landgericht Köln (Az.: 10 S 75/02) hat demzufolge den Schadensersatzanspruch eines Umzugszuschauers abgelehnt, den eine Tafel Schokolade am Kopf getroffen hatte. Das Gericht meinte, es gehöre zum typischen Bild von rheinischen Karnevalsumzügen, dass auch Schokoriegel geworfen würden; hierfür könne man den Veranstalter nicht in die Haftung nehmen. Selbst mit Pralinenschachteln müssten Karnevalszuschauer rechnen, wenn sie sich in das Getümmel von Umzügen begeben, so das Amtsgericht Aachen (Az.: 13 C 250/05).

Ähnlich lautete ein Urteil des Amtsgerichts Köln (Az.: 119 C 183/01) bezüglich ins Volk geschleuderter Süßigkeiten. Wenn der Umzugsorganisator angemessene Richtlinien für die Zugteilnehmer herausgebe und den Karnevalsumzug ausreichend sichere, könne man ihn für Verletzungen – selbst bei unsachgemäßem Werfen – nicht haftbar machen. Noch weiter ging das gleiche Gericht in einem Zivilverfahren gegen einen Karnevalsverein. Es wies die Schmerzensgeldforderung einer Frau ab, die von einer Schokowaffel am Auge verletzt worden war. Das Werfen kleinerer Gegenstände von Karnevalswagen sei sozial üblich, werde von den Zuschauern erwartet und sei insgesamt erlaubt, stellte das Amtsgericht Köln fest (Az.: 123 C 254/10).

In einer aktuellen Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (Az.: 3 U 985/13) ging es um die etwaige Verletzung der Verkehrssicherungspflicht eines Umzugsveranstalters. Nur wenn dieser seinen diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachkomme, könne er haftbar gemacht werden. Insbesondere müsse der Veranstalter dafür sorgen, dass Zuschauer nicht zu nahe an die Festwagen herankommen können, etwa durch Absperrungen. Komme es trotz zumutbarer Vorkehrungen zu Schäden, z.B. durch stark ausschwenkende Anhängergespanne, seien entsprechende Ersatzansprüche abzuweisen.

Interessant ist auch ein Urteil des Landgerichts Trier (Az.: 1 S 18/01). Es lehnte die Haftung von Kanonieren ab, die während eines Umzugs sehr laute Schüsse mit einer Rebenkanone abgegeben hatten. Hierdurch hatte ein Zuschauer ein sog. Knalltrauma erlitten; er erhielt dafür keine Entschädigung.

Schließlich hatte das Oberlandesgericht Nürnberg (Az. 14 U 1474/09) vor einigen Jahren in einem Pferdehalter-Haftungsfall als Berufungsinstanz zu entscheiden. Die Tiere des Besitzers wurden nur selten bei Festumzügen verwendet. Deshalb hafte er, so das Gericht, nicht für durch sie entstandene Schäden. Wenn er als Tierhalter die erforderliche Sorgfalt beachte, werde er bei einem Unfall mit Nutztieren im Straßenverkehr grundsätzlich nicht schadenersatzpflichtig. Offenbar selbst dann nicht, wenn mal ein Gaul durchgeht!

Karnevalsumzüge sind keine völlig gefahrlosen Veranstaltungen. Deshalb wird hinterher manchmal um Entschädigungen wegen eingetretener Schäden gestritten – wenn auch nicht vor dem Narrengericht. Da solche Umzüge meist langjährigen, allgemein begrüßten Traditionen folgen und nur unter relativ hohen Auflagen genehmigt werden, sind Ersatzansprüche gegen Veranstalter und Teilnehmer generell schwer durchzusetzen. Nach der Devise: Wer sich dem närrischen Trubel aussetzt, muss letztendlich selbst auf sich aufpassen!

AUtor: Rechtsanwalt Hermann Neidhart, Neuried

ZAP 3/2015, S. 109 – 110

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