Wenn man den der BGH-Entscheidung (Urt. v. 17.6.2015 – 2 StR 228/14, NJW 2015, 2986 = StraFo 2015, 413 = StRR 2015, 422 m. Anm. Burhoff; allgemein zum Mobiltelefon in der Hauptverhandlung Fromm StraFo 2015, 445) zugrunde liegenden Sachverhalt liest, weiß man, dass das Mobiltelefon bzw. Smartphone auch im Gerichtssaal angekommen ist. Im entschiedenen Fall hatte die Revision des Angeklagten nämlich mit einer Verfahrensrüge Erfolg, mit der ein Verstoß gegen §§ 24 Abs. 1 u. 2, 338 Nr. 3 StPO geltend gemacht worden ist. Dieser Rüge lag zugrunde, dass der Angeklagte u.a. eine beisitzende Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hatte, da diese während der Vernehmung eines Zeugen am vierten Hauptverhandlungstag über einen Zeitraum von etwa zehn Minuten mehrfach ihr Mobiltelefon bedient habe. Aufgrund des mit der Bedienung des Mobiltelefons und dem Schreiben von Kurzmitteilungen einhergehenden Aufmerksamkeitsdefizits sei – so der Angeklagte – das Fragerecht bzw. die Fragemöglichkeit der abgelehnten Richterin eingeschränkt. Damit sei der Eindruck erweckt worden, die Richterin habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der Beweisaufnahme bereits zur Tat- und Schuldfrage der Angeklagten festgelegt. In ihrer dienstlichen Erklärung hatte die Beisitzerin u.a. ausgeführt, ihr vor ihr liegendes stumm geschaltetes Mobiltelefon in der Hauptverhandlung als "Arbeitsmittel" zu nutzen. Die an diesem Tag erwartete Sitzungszeit sei bereits deutlich überschritten gewesen. Einen (stummen) Anruf von zu Hause habe sie mit einer vorgefertigten SMS des Inhalts "Bin in Sitzung" beantwortet; eine weitere dringende SMS-Anfrage bezüglich der weiteren Betreuung der Kinder habe sie "binnen Sekunden" beantwortet. Auf Rüge der Verteidigung habe sie diesen Sachverhalt öffentlich gemacht und sich entschuldigt. Das LG hat den Befangenheitsantrag als unbegründet zurückgewiesen.

Der 2. Strafsenat des BGH hat hingegen die von dem Angeklagten gehegte Besorgnis der Befangenheit geteilt. Der Angeklagte habe bei verständiger Würdigung Grund zu der Annahme, der Richter nehme ihm gegenüber eine Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Auch aus der Sicht eines besonnenen Angeklagten gebe die private Nutzung des Mobiltelefons durch die beisitzende Richterin während laufender Hauptverhandlung nämlich begründeten Anlass zu der Befürchtung, die Richterin habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der dem Kernbereich richterlicher Tätigkeit unterfallender (vgl. § 261 StPO) Beweisaufnahme auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt. Angesichts der Tatsache, dass es die beisitzende Richterin wegen der erwarteten Überschreitung der Sitzungszeit mit vorgefertigter SMS offensichtlich von vornherein darauf angelegt habe, aktiv in der Hauptverhandlung in privaten Angelegenheiten nach außen zu kommunizieren, komme es entgegen der Auffassung im ablehnenden Beschluss des LG auch nicht darauf an, ob deswegen die Aufmerksamkeit der Richterin erheblich reduziert gewesen sei. Denn die beisitzende Richterin habe sich während der Zeugenvernehmung durch eine mit der Sache nicht im Zusammenhang stehende private Tätigkeit nicht nur gezielt abgelenkt und dadurch ihre Fähigkeit beeinträchtigt, die Verhandlung in allen wesentlichen Teilen zuverlässig in sich aufzunehmen und zu würdigen, sie habe damit auch zu erkennen gegeben, dass sie bereit sei, in laufender Hauptverhandlung Telekommunikation im privaten Bereich zu betreiben und dieses über die ihr obliegenden dienstlichen Pflichten zu stellen. Von kurzfristigen Abgelenktheiten, wie sie während einer länger andauernden Hauptverhandlung auftreten können, unterscheide sich dieser Fall dadurch, dass eine von vornherein über den Verhandlungszusammenhang hinausreichende externe Telekommunikation unternommen werde; eine solche sei mit einer hinreichenden Zuwendung und Aufmerksamkeit für den Verhandlungsinhalt unvereinbar. Da es sich auch nicht um ein unbedachtes Verhalten der abgelehnten Richterin gehandelt habe, das durch Klarstellung und Entschuldigung beseitigt werden könne, hätte das Ablehnungsgesuch nicht zurückgewiesen werden dürfen.

 

Hinweis:

M.E. ist dem BGH beizutreten. Dabei ist für mich nicht so entscheidend, ob und wie die Beisitzerin die SMS vorbereitet hat, sondern vielmehr der Umstand, dass sie sich in laufender Sitzung mit privaten Dingen beschäftigt hat. Daraus kann m.E. auch ein besonnener Angeklagter ableiten, dass es dieser Richterin offenbar nicht (mehr) darauf ankommt, was in der noch laufenden Hauptverhandlung geschieht, welche Beweisergebnisse noch zu erwarten sind, weil für sie die Entscheidung schon feststeht. In dem Zusammenhang ist es für mich auch unerheblich, ob es sich um einen einmaligen SMS-Kontakt oder um mehrere SMS handelt. Allein der Umstand, dass die Richterin ihre privaten Dinge in den Vordergrund, also über die Ereignisse in der Hauptverhandlung, stellt, reicht m.E. aus die Besorgnis – und nur darauf kommt es nach § 24 StPO an – d...

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