I. Einleitung

Das Handeln der Europäischen Zentralbank (EZB) wird vor allem in Deutschland besonders kritisch betrachtet. In der Boulevardpresse ist von einer Enteignung der Sparer durch die Niedrigzinspolitik zu lesen. Ebenso sollen Lebensversicherer und Rentenversicherungsträger Probleme haben, Gelder einerseits sicher, aber andererseits mit Rendite anzulegen. Fragen der konkreten Ausgestaltungen der Währungsunion beschäftigen nicht nur die Bürger, sondern auch das Bundesverfassungsgericht.

II. Das Bundesverfassungsgericht in der Euro-Krise

1. Griechenland-Hilfe und Euro-Rettungsschirm (EFSF)

Im Mai 2010 stellten die Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe auf Antrag Griechenlands im Zusammenhang mit einem dreijährigen Programm des Internationalen Währungsfonds (IWF) erhebliche Finanzhilfen bereit und versprachen, Griechenland mit bilateralen Darlehen zu unterstützen. Um die erforderlichen Maßnahmen auf nationaler Ebene zu treffen, verabschiedete der Deutsche Bundestag am 7.5.2010 das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der Hellenischen Republik. Dieses Gesetz ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen, Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt 22,4 Mrd. Euro für Kredite an Griechenland zu übernehmen. Ebenfalls noch am 7.5.2010 kamen die Staats- und Regierungschefs der Euro-Gruppe in Brüssel zusammen und vereinbarten, dass die EU-Kommission einen europäischen Stabilisierungsmechanismus zur Wahrung der Finanzmarktstabilität in Europa vorschlagen sollte ("Euro-Rettungsschirm"). Der Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN-Rat) beschloss daraufhin die Schaffung eines europäischen Stabilisierungsmechanismus. Dieser setzt sich zusammen aus dem auf eine EU-Verordnung gestützten europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und aus der europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF). Die EFSF ist eine Zweckgesellschaft zur Gewährung von Darlehen und Kreditlinien, die auf einer zwischenstaatlichen Vereinbarung der Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe beruht. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) ließ sich in den neuen Ansatz einbeziehen, indem sie ein "Programm für die Wertpapiermärkte" beschloss. Unter anderem ermächtigte der EZB-Rat dabei die Zentralbanken des Eurosystems, Schuldtitel, die von Zentralstaaten oder öffentlichen Stellen der Euro-Mitgliedstaaten begeben werden, auf dem Sekundärmarkt anzukaufen. Um auf nationaler Ebene die Voraussetzungen für die Leistung finanziellen Beistands über die EFSF zu schaffen, verabschiedete der Deutsche Bundestag am 21.5.2010 das Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus. Dieses Gesetz ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen, Gewährleistungen zur Absicherung von Krediten bis zu einer Höhe von 147,6 Mrd. Euro zu übernehmen, die die EFSF aufnimmt.

 

Hinweis:

Eine Verletzung von Grundrechten (Art. 38, 20, 14 GG) hat das BVerfG bei diesem Sachverhalt noch nicht gesehen und die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen (BVerfG, Urt. v. 7.9.2011 – 2 BvR 1485/10, BVerfGE 129, 124 ff.).

2. Das sog. ESM-Urteil

Mit dem neuen Art. 136 AEUV sollte den Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, die Möglichkeit gegeben werden, einen Stabilitätsmechanismus einrichten zu können, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Zweck des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ist es, Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzhilfeinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereitzustellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Zu diesem Zweck ist der ESM berechtigt, Mittel aufzunehmen, indem er Finanzinstrumente begibt oder mit ESM-Mitgliedern, Finanzinstituten oder sonstigen Dritten finanzielle oder sonstige Vereinbarungen oder Übereinkünfte schließt. Gemäß § 1 ESMFinG beteiligt sich die Bundesrepublik Deutschland am Gesamtbetrag des einzuzahlenden Kapitals des ESM mit einem Betrag i.H.v. 21,71712 Mrd. Euro sowie am Gesamtbetrag des abrufbaren Kapitals mit einem Betrag i.H.v. 168,30768 Mrd. Euro. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, für das abrufbare Kapital i.H.v. 168,30768 Mrd. Euro Gewährleistungen zu übernehmen. Nachdem sichergestellt war, dass sämtliche Zahlungsverpflichtungen der Bundesrepublik aus dem ESM auf ihren Anteil am genehmigten Stammkapital des ESM i.H.v. 190,0248 Mrd. Euro beschränkt bleiben und die Regelungen über die Unverletzlichkeit der Unterlagen des ESM und die berufliche Schweigepflicht aller für den ESM tätigen Personen einer umfassenden Unterrichtung des Bundestages und des Bundesrates nicht entgegenstehen, wurden sowohl der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (BVerfG, Urt. v. 12. 9.2012 2 BvR 1390/12 u. a., NJW 2012, 3145 ff.) als auch die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen (BVerfG, Urt. v. 18.3.2014 – 2 BvR 1390/12 u.a., NJW 2014, 1505 ff.).

3. Die EZB/OMT-Entscheidung

Neben den verschiedenen Rettungspaketen ...

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