Diese strukturelle Interessenlage legt es nahe, sofern verfügbar, eine vom Mandanten oder Dritten aufgebrachte Sicherungssumme zur Fortführung der Verfahren auch im Rahmen der privatautonom verhandelten Grundlage als Sicherungsbetrag zu blocken (Gedanke des Depositums = Sicherungsbetrag). Oftmals ist der Mandant selbst oder sind Dritte (Verwandte, ggf. auch Prozessfinanzierer) in der Lage, einen Betrag zu leisten, der als Sicherheit für die Verfahrensdurchführung dienen kann und kombiniert mit einer Erfolgshonorarvereinbarung erhöht oder verringert um den Erfolgsanteil als Sicherheit dient. Somit bietet es sich an, diesen Sicherungsbetrag als Fremdgeld bis zur endgültigen Abrechnung zum Mandatsende auf einer Vertragsgrundlage nach § 4 BORA auf das Geschäfts- oder Anderkonto zu buchen (zur Zulässigkeit Henssler/Prütting/Henssler, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 4 BORA Rn. 8; abgrenzend und mit Blick auf AGH NRW NJW-RR 2013, 624 ist zu verdeutlichen, dass es sich nicht um pauschale Honorarvorschüsse, sondern Sicherungsbeträge handelt) und gleichzeitig zu vereinbaren, dass zwischenzeitliche, während des Verfahrens ggf. erfolgende Einnahmen aus Haftentschädigungszahlungen, aus gleichlaufenden Verfahren vor dem EGMR (Art. 41 EMRK) dieser Sicherungssumme unterfallen bis zum Zeitpunkt der endgültigen Abrechnung nach § 4 Abs. 2 S. 6 BORA. Dies ist mit Blick auf die unmittelbare Honorarsicherung einerseits sowie die häufig ex ante nicht absehbaren Drittkosten andererseits sinnvoll, denn die letztgenannten dürfen nicht vergessen werden. Besonders typisch im Fall der Wiederaufnahme sind Gutachterkosten. § 359 Nr. 1 StPO betrifft ausdrücklich den Fall, dass eine in der Hauptverhandlung vorgebrachte Urkunde "unecht oder verfälscht" war.

 

Hinweis:

Insofern trägt der Wiederaufnahmeführer die Darlegungslast im Verfahren, so dass private Gutachten zum typischen Repertoire der Wiederaufnahme führen. Auch hier sind die Kosten oft dynamisch, so wenn ein Gutachter auf die Replik der Staatsanwaltschaft hin ergänzend Stellung nehmen muss.

Häufig ist die Finanzierung externer Gutachter erforderlich, um den extrem hohen Substantiierungsanforderungen nachkommen zu können, welche bei einem erfolgsversprechenden Angriff auf ein rechtskräftiges Urteil bestehen. Weiter können dies sonstige Ermittlungskosten sein, z.B. für Detektive, private Ermittlungen oder Beweissicherungen (zu deren zentraler Relevanz und Verwertbarkeit Mende, Grenzen privater Ermittlungen, Diss. Berlin 2001 passim).

Dies zu bedenken und vorausschauend zu regeln, ist auch für den Anwalt wichtig: Tritt er als Auftraggeber auf, haftet er äußerstenfalls selbst. Stellt er seine Kontakte zur Verfügung und vermittelt Aufträge, "verbrennt" er im Nichtzahlungsfall sein Netzwerk. Schließlich geht es um das Anwaltshonorar selbst. Im Rahmen der privatautonomen Gestaltungsfreiheit können insofern für den Erfolgsfall und für den Misserfolgsfall inhaltliche Regelungen auch mit Blick auf die Aufstockung der Honorarsumme oder eine Rückauskehr getroffen werden, wozu die neue verfassungsgerichtliche Rechtsprechung mit Blick auf das Erfolgshonorar auch deutlich weitere Spielräume lässt als das frühere Berufsrecht und Honorarrecht (zu den materiellen Voraussetzungen Vogeler JA 2011, 321, 323).

Somit ist beiden Seiten interessengerecht gedient: Der Rechtsanwalt weiß seine mit Sicherheit entstehenden Honoraransprüche so weit wie möglich gesichert und wird sich nicht in der Situation wiederfinden, dass im Falle der Verfahrensfortführung auch die letzten finanziellen Ressourcen eines Mandanten erschöpft sind und er nach oftmals jahrelanger Arbeit unhonoriert dasteht. Zugleich ist der Sicherungsgedanke mit der Möglichkeit einer erfolgsabhängigen Honorar-Anpassung nach oben oder unten auch ein leistungsorientierter Ansporn, wie er ggf. deutlicher als in den – ohne weiteres zulässigen – Zeitvergütungsabreden nach § 3a RVG eine flexible rechtliche Gestaltung findet.

Auch der Mandant wird den Gedanken dieser Verfahrenssicherung einerseits und des möglichen Erfolgsansporns andererseits gerne sehen, ist aber gehalten, die Honorarsumme schwebend treuhänderisch geblockt zu wissen. Die berufsrechtliche Zulässigkeit folgt insbesondere auch der durch § 4 Abs. 2 S. 5 BORA eröffneten Möglichkeit der "anderweitigen Vereinbarungen" und der nach S. 6 möglichen, bis dahin aufschiebend zurückgestellten Endabrechnung (erst) zum Mandatsende. Insofern ist ein interessengerechter Ausgleich durch eine treuhänderische honorarsichernde Vereinbarung möglich, welche § 4 BORA explizit gestalterisch eröffnet: Sofern eine dahingehende, konkrete Vereinbarung getroffen wird, kann der treuhänderisch gehaltene Betrag sowohl auf dem Anderkonto als auch auf dem Geschäftskonto vorgehalten werden. Welche Form gewählt wird, sollten die Parteien wegen § 4 Abs. 2 S. 5 BORA in Textform vereinbaren.

 

Hinweis:

Je nach Höhe des Sicherungsbetrags können dafür pragmatische Überlegungen maßgeblich sein, z.B., ob die Kreditinstitute Einlagen auf Anderkonte...

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