Dem Verteidiger ist die vollständige Messdatei samt Token und Passwort sowie die gesamte Messreihe entsprechend § 46 OWiG i.V.m. § 147 StPO zur Verfügung zu stellen. Andernfalls würde das Recht auf rechtliches Gehör verletzt werden (AG Gießen zfs 2016, 232, 412 jew. m. Anm. Krenberger). Auch wenn die Messdaten nicht Bestandteil der Verfahrensakte sind, müssen sie dem Betroffenen auf dessen Antrag zur Verfügung gestellt werden. Denn nur so wird der Betroffene in die Lage versetzt, die Messung auf ihre Ordnungsgemäßheit zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen (OLG Celle StRR 8/2016, 18 = VRR 8/2016, 16 [jew. Burhoff]; a.A. AG Stradtroda zfs 2016, 233 m. Anm. Krenberger). Strenger ist hier wiederum das OLG Bamberg (DAR 2016, 337 = StRR 8/2016, 16 = VRR 7/2016, 19 [Deutscher]): Hat sich der Tatrichter aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung davon überzeugt, dass die Voraussetzungen eines sog. standardisierten Messverfahrens im Sinne der Rechtsprechung des BGH eingehalten wurden, verstoße die Ablehnung eines Antrags der Verteidigung auf Einsichtnahme in die digitale Messdatei und deren Überlassung einschließlich etwaiger sog. Rohmessdaten nicht gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens.

Verweigert die Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren dem Betroffenen die Einsicht in die Lebensakte des Geschwindigkeitsmessgeräts, darf das Gericht einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Beiziehung der Lebensakte grundsätzlich nicht allein mit der Begründung zurückweisen, der Betroffene habe keine konkreten Anhaltspunkte für eine sich aus der Lebensakte ergebende Fehlerhaftigkeit oder Unverwertbarkeit des Messergebnisses vorgebracht. Hat die Verwaltungsbehörde mehrfach und dezidiert die Einsicht in die Lebensakte verweigert, braucht der Betroffene sich nach der Verurteilung grundsätzlich nicht erneut um Einsichtnahme zu bemühen, ohne dass ihm dies im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerderüge des Unterbleibens der Beiziehung der Lebensakte durch das Gericht entgegengehalten werden darf (OLG Jena NJW 2016, 1457 = DAR 2016, 399 = StRR 4/2016, 20 = VRR 4/2016, 16 [jew. Burhoff]). Wird für ein Geschwindigkeitsmessgerät keine Lebensakte geführt, obliegt der Bußgeldbehörde die Klärung der Frage, ob an dem Gerät nach der letzten Eichung Reparaturen vorgenommen worden sind. Hat sie dies nicht getan, kann das Amtsgericht die Sache gem. § 69 Abs. 5 S. 1 OWiG an die Verwaltungsbehörde zurückzuverweisen (OLG Naumburg DAR 2016, 215 = VRR 4/2016, 15 [Burhoff]).

Auf die Versagung dieser Einsicht in die Messunterlagen bzw. Messdaten durch die Bußgeldbehörde kann die Rechtsbeschwerde aber nur gestützt werden, wenn deswegen in der Hauptverhandlung ein Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung gestellt und durch Gerichtsbeschluss abgelehnt worden ist (OLG Saarbrücken StRR 4/2016, 22 = VRR 4/2016, 18 [Burhoff]; zum erforderlichen Rügevorbringen hinsichtlich des kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verfahrensverstoß und dem Urteil OLG Hamm NZV 2016, 291).

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