1. Gesetzliche Pflichten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens

Das Wertpapierhandelsunternehmen soll anlege- und objektgerecht beraten. Die Beratung muss den Kenntnissen des Kunden und seiner Risikobereitschaft entsprechen und das angemessene Produkt unter Abwägung aller zur Verfügung stehender Kriterien empfehlen. Das WpHG hat, ausgelöst durch die Finanzmarktkrise in den letzten Jahren, umfassende Änderungen erfahren, die dem Kunden durch Einführung von Mindeststandards bei der Beratung und effektive Aufsicht über die Institute einen Mindestschutz bei Vermögensverfügungen mit Risikopotential bieten sollen. Verlangt wird, dass sich die Wertpapierhandelsunternehmen um Vermeidung von Interessenskonflikten bemühen (s.u. Punkt V. 3. "Rückvergütungen"), Art und Herkunft etwaiger Interessenkonflikte offenlegen und organisatorische Vorkehrungen zur Beeinträchtigung von Kundeninteressen treffen (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG). Alle Informationen müssen "redlich", "eindeutig" und dürfen "nicht irreführend" sein.

Den Kunden müssen solche Informationen zur Verfügung gestellt werden, um Art und Risiken der Offerten einschätzen und danach entscheiden zu können. Der Inhalt von Prospekten, die dem Kunden anlässlich des Beratungsgesprächs übergeben werden, erfüllt nur dann ergänzend zum Gespräch seine informative Funktion, wenn sich der Kunde vor der Anlageentscheidung damit vertraut machen konnte. Wird der Prospekt nicht rechtzeitig übergeben, "darf der Anleger ihn unbeachtet lassen; er muss ihn nach der getroffenen Anlageentscheidung nicht mehr durchlesen" (BGH, Urt. v. 8.7.2010 – III ZR 249/09, MDR 2010, 1051).

 

Hinweis:

Die BaFin erfasst jeden bei ihr hinterlegten Prospekt in einer öffentlichen Datenbank. Der Anwalt kann dort recherchieren, ob ein Prospekt hinterlegt und veröffentlicht wurde.

2. Anforderungen an Mitarbeiter im Anlagebereich/BaFin-Maßnahmen

Ein weiteres Kernstück ist die Verpflichtung, dass Wertpapierdienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit erbracht werden müssen (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG). Es dürfen nur Mitarbeiter mit der Anlageberatung betraut werden, die sachkundig sind, d.h. spezifische fachliche und rechtliche Kenntnisse nachweisen können, und über die erforderliche "Zuverlässigkeit" verfügen. Gleiches gilt für die Bediensteten mit Gestaltungsfunktion und/oder Vorgesetzteneigenschaft (§ 34d Abs. 1–3 WpHG). Vor Aufnahme der entsprechenden Tätigkeit ist der BaFin der jeweilige Mitarbeiter anzuzeigen.

Die Daten der Mitarbeiter, auch der Vertriebsbeauftragten oder Compliance-Verantwortlichen werden registriert. In diese Datenbank wird jede Beschwerde aufgrund der Tätigkeit eines Mitarbeiters aufgenommen (§ 34d Abs. 1 WpHG). Dabei ist jeder Betroffene beschwerdebefugt; die BaFin wertet nach eigenen Angaben jede "Unmutsäußerung", unabhängig von ihrer Bezeichnung als "Beschwerde", fordert ggf. die zur Prüfung notwendigen Unterlagen von dem Wertpapierhandelsunternehmen an. Verstöße gegen § 34d Abs. 4 WpHG können empfindliche aufsichtliche Sanktionen nach sich ziehen (von Bußgeld bis Tätigkeitsverbot).

Davon abgesehen berechtigt die Generalklausel des § 4 WpHG die BaFin nach ihrem Ermessen

  • von "jedermann" Auskünfte zu verlangen,
  • Personen zu laden und zu vernehmen,
  • ihr notwendig erscheinende Anordnungen zu treffen und
  • zu den üblichen Geschäftszeiten den Zutritt zu Geschäftsräumen zu verlangen.

Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung (§ 4 Abs. 7 WpHG).

3. Aufklärungspflichten

Im Hinblick auf die Sorgfaltspflicht der Bank ist eine Entscheidung des LG Stuttgart von Bedeutung, die wesentliche Überlegungen zusammenfasst. Demnach zieht der Anleger dann einen Anlagenberater hinzu, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Er erwartet dann eine fachkundige Bewertung und Beurteilung von Tatsachen, im Rahmen einer auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung, die er (durch Provisionszahlung) auch besonders honoriert. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weitergehende Pflichten gegenüber dem Anleger.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Bank ihre Aufklärungspflichten verletzt hat. Die Ausgestaltung hänge zwar von den Umständen des Einzelfalls ab. Der Kläger sei aber in einem lediglich wenige Minuten dauernden Gespräch ein Kurzprospekt überreicht worden, mit der Erklärung, es handele sich um eine sichere Kapitalanlage. Das Gericht war jedoch davon überzeugt, dem Kläger sei das Ausmaß des bestehenden Verlustrisikos bis hin zum Totalverlust nicht aufgezeigt worden (LG Stuttgart, Urt. v. 19.6.2013 – 21 O 442/12).

 

Hinweis:

Die Bank, die einen Emissionsprospekt nicht so rechtzeitig vor Vertragsschluss überreicht, dass sich der Kunde umfassend informieren kann, auch um ggf. Zweifel zu klären, kann sich nicht darauf berufen, die Beraterin habe auf die Widerrufsfrist hingewiesen und angeboten, sich im Falle auftauchender Fragen an sie zu wenden. Der Mangel der Aufklärungspflicht wird dadurch nicht geheilt (s. LG Frankfurt/M., Urt. v. 5.4.2013 – 2-19 O 61/12).

Eine Verletzung der Aufklä...

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