1 Leitsätze des Gerichts:

  1. Die Erfüllung der vom Leistungsfähigkeitsprinzip determinierten Steuerschuld gewährt keinen Anspruch auf die unentgeltliche Inanspruchnahme besonders zurechenbarer staatlicher Leistungen. Wer zum Zwecke der Gewinnerzielung in besonderem Maße ein öffentliches Gut (hier die staatliche Sicherheitsvorsorge) in Anspruch nimmt, darf hierfür grds. mit einer Gebühr belegt werden.
  2. Eine landesgesetzliche Regelung (hier § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG), die dem Veranstalter einer gewinnorientierten Großveranstaltung, die wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung vorhersehbar erforderlich macht, zur Deckung des Mehraufwandes eine Gebühr auferlegt, steht mit dem Steuerstaatsprinzip (Art. 104a ff. GG) grundsätzlich in Einklang.
  3. Eine solche Gebühr, die den Veranstalter nicht als Störer der öffentlichen Sicherheit, sondern ausschließlich als Nutznießer der verstärkten Polizeipräsenz in Anspruch nimmt, steht in keinem Wertungswiderspruch zum Polizeirecht. Zur Vermeidung einer unzulässigen Überdeckung müssen aber "Doppelabrechnungen" gegenüber dem Veranstalter und dem Störer vermieden werden.
  4. Mit Art. 12 Abs. 1 GG ist die Veranstaltergebühr vereinbar, wenn sie unter Berücksichtigung der Art der Veranstaltung regelmäßig in einer angemessenen Relation zu dem wirtschaftlichen Ergebnis steht, das der Veranstalter auch dank des verstärkten Polizeieinsatzes erzielen kann.
  5. Eines steuerfinanzierten Abschlages vom gebührenpflichtigen Aufwand bedarf es auch unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der Gefahrenabwehr nicht, wenn der zusätzliche Sicherheitsaufwand ausschließlich aufgrund einer gewinnorientierten privaten Veranstaltung erforderlich wird.
  6. Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit der Norm bedarf es bei einer Gebühr mit dem unmittelbaren Zweck einer Kostendeckung nicht zwingend der tatbestandlichen Bestimmung eines Gebührensatzes. Hinreichende Bestimmtheit kann auch hergestellt werden, indem die Bemessungsfaktoren für die Kosten normiert werden.

BVerwG, Urt. v. 29.3.2019 – 9 C 4/18, ZAP EN-Nr. 533/2019)

Bearbeiter: Ralf Rödel, RA a.D., Málaga

I. Vorbemerkung

Die Bremer Polizeigebühr (425.718,11 EUR) für Hochrisiko-Veranstaltungen (Fußballspiel in der Bundesliga; Werder Bremen gegen HSV am 19.4.2015 im Bremer Weser-Stadion) ist prinzipiell rechtmäßig. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 29.3.2019 – 9 C 4/18, ZAP EN-Nr. 533/2019) beantwortet die Frage, ob der Staat Kosten der inneren Sicherheit zulässigerweise auf Dritte abwälzen darf.

II. Zum Sachverhalt

Die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL GmbH) führt als Tochtergesellschaft das operative Geschäft des DFL e.V., in dem die lizenzierten Vereine und Kapitalgesellschaften der Bundesliga und der 2. Bundesliga zusammengeschlossen sind. Mit ihrer Klage wandte sich die DFL GmbH gegen einen Gebührenbescheid der Freien Hansestadt Bremen für einen mit erheblichen zusätzlichen Kräften geleisteten Polizeieinsatz anlässlich eines Hochrisiko-Spiels im Bremer Weser-Stadion zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV. Die DFL GmbH war rund drei Wochen vor dem Spiel darauf hingewiesen worden, dass am Spieltag nach den polizeilichen Lageerkenntnissen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zu rechnen sei. Das Verwaltungsgericht Bremen gab der Klage statt, weil der Gebührentatbestand zu unbestimmt sei. Das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen (OVG Bremen) hielt demgegenüber die Regelung für verfassungsgemäß und wies die Klage gegen den Gebührenbescheid ab. Das BVerwG hat im Grundsatz den Rechtsstandpunkt des OVG Bremen bestätigt, aber trotzdem das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OVG Bremen zurückverwiesen, um zu klären, ob und inwieweit bestimmte Kosten – insbesondere für die nicht unerhebliche Zahl polizeilicher Ingewahrsamnahmen anlässlich des fraglichen Fußballspiels – vorrangig gegenüber einzelnen Störern geltend zu machen waren.

III. Aus den Gründen

Bei § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG handelt es sich nicht um ein unzulässiges Einzelfallgesetz, weil es abstrakt formuliert ist und allgemein an den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte bei bestimmten gewinnorientierten Großveranstaltungen anknüpft. Es ändert nichts an dem generellen Charakter der Regelung, dass sie derzeit offenbar nur die Veranstalter von sog. Hochrisiko-Spielen der Fußball-Bundesliga betrifft und dies auch im Gesetzgebungsverfahren im Vordergrund stand. Die gesetzliche Regelung eines Einzelfalls ist selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Sachverhalt so beschaffen ist, dass es nur einen Fall dieser Art gibt und die Regelung dieses singulären Sachverhalts von sachlichen Gründen getragen wird; Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG will verhindern, dass der Gesetzgeber willkürlich aus einer Reihe gleichgelagerter Sachverhalte einen Fall herausgreift und zum Gegenstand einer Sonderregel macht (BVerfG, Urt. v. 10.3.1992 – 1 BvR 454/91 u.a., BVerfGE 85, 360 [374] m.w.N.). Hiervon kann bei der v...

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