I. Einführung

Bußgeldverfahren im Straßenverkehr werden meist aufgrund sog. Kennzeichenanzeigen in Gang gesetzt. Wird jemand "geblitzt", ermittelt die Bußgeldbehörde anhand des Fahrzeugkennzeichens den Fahrzeughalter und schickt ihm innerhalb von zwei Wochen einen Anhörungsbogen. Antwortet der Halter nicht oder schreibt er zurück, er wisse nicht mehr, wer gefahren sei, gerät die Behörde erst einmal in Beweisnot. Eine Halterhaftung kennt das deutsche Recht nämlich nicht. Bei Geschwindigkeitsübertretungen werden zusammen mit der Messung auch sog. Blitzerfotos gefertigt, die den Fahrer des "geblitzten" Fahrzeugs zeigen. Kommt es zu einer Verhandlung, kann solch ein Foto als Beweis für eine Täterschaft dienen und vom Gericht für eine Verurteilung herangezogen werden. Doch dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.

II. Grundsatz: Keine Halterhaftung für OWis/Foto als grundsätzliches Beweismittel

Oft ist es der Polizei oder den Überwachungsbehörden, die einen Regelverstoß im fließenden Straßenverkehr feststellen, nicht möglich, den Verkehrssünder anzuhalten. Über das amtliche Kennzeichen kann die Verwaltungsbehörde zunächst nur den formellen Fahrzeughalter, nicht jedoch den Fahrer des Fahrzeugs zu einem bestimmten Zeitpunkt ermitteln (Fromm, NZV 2018, 161).

Für eine Ordnungswidrigkeit (OWi) kann aber nur derjenige belangt werden, der den vorgeworfenen Verstoß auch begangen hat. Eine Halterhaftung kennt das deutsche Recht nicht (AG Bochum, Beschl. v. 27.2.2012 – 29 Gs 2/12). Nur für Verstöße gegen ein Halt- oder Parkverbot können nach § 25a Abs. 1 S. 1 StVG dem Halter die Kosten des Verfahrens auferlegt werden (BayVGH, Urt. v. 1.4.2019 – 11 B 19.56). Ansonsten kann nur der Fahrer für (s)einen Verkehrsverstoß herangezogen werden. Der Erlass eines Bußgeldbescheids setzt stets voraus, dass die Behörde einen dem Ermittlungsverfahren angemessenen Grad an Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen gewonnen hat (VG Düsseldorf, Beschl. v. 15.7.2014 – 14 L 1505/14).

 

Hinweis:

Der Halterbegriff entstammt § 833 BGB und gilt einheitlich für das gesamte Straßenverkehrsrecht. Maßgeblich ist, von wem das Fahrzeug auf eigene Rechnung gebraucht wird, wer also die Kosten bestreitet und die Verwendungsnutzungen zieht und wer tatsächlich, vornehmlich wirtschaftlich, über’die’Fahrzeugbenutzung (als Gefahrenquelle) so verfügen kann, dass es dem Wesen der Veranlasserhaftung entspricht (AG Zweibrücken, Urt. v. 29.10.2018 – 1 OWi 4285 Js 7167/18).

Speziell bei der Geschwindigkeitsüberwachung – einem Massenverfahren – wird ein Täter nicht angehalten; es wird meist ein Frontfoto vom Fahrer gefertigt. Danach wird der Fahrzeughalter meist innerhalb von zwei Wochen nach dem Verstoß angeschrieben und ein Anhörbogen übersandt. Der Anhörbogen kann, muss aber kein Foto enthalten. Bußgeldbehörden sind in Deutschland nicht grds. dazu verpflichtet, das Blitzerfoto mitzuschicken. In der Praxis werden häufig Bescheide ohne Beweisfotos versandt, ohne dass diese ihre Gültigkeit einbüßen. Ein fehlendes Blitzerfoto ist also kein eigenständiger Einspruchsgrund. Im Bußgeldverfahren gilt das Bild jedoch als Beweismittel und muss als solches entsprechend eindeutig sein. Der Verteidiger kann das Bild im Gerichtsverfahren einsehen, um zu überprüfen, ob der beschuldigte Mandant darauf klar erkennbar ist.

 

Hinweis:

Der Betroffene kann auch schon i.R.d. Anhörung Akteneinsicht beantragen. Rechtsgrundlage dazu ist § 49 OWiG: Die Verwaltungsbehörde kann dem Betroffenen Einsicht in die Akten unter Aufsicht gewähren, soweit nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen.

Kommt es zu einer Verhandlung, muss der Betroffene erscheinen, um die Beweisqualität eines Fotos würdigen zu können (Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG, § 73 Rn 5).

 

Hinweis:

Kann ein Verkehrssünder nicht überführt werden, weil ein Halter seine Auskunft verweigert, kann die Anordnung eines Fahrtenbuchs drohen. Nach § 31a StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die’Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese sog. Fahrtenbuchauflage ist keine’Nebenbestimmung im verwaltungsrechtlichen Sinne, sondern eine Anordnung (Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG). Bei § 31a StVZO handelt es sich – wie bei allen Bestimmungen der StVZO – um eine’(sicherheitsrechtliche) Maßnahme zur Gefahrenabwehr, nicht um eine (repressive) Maßnahme der’Strafverfolgung. Sinn ist es, sozusagen bereits im "Vorfeld" ungeeignete Kraftfahrer zu erfassen und sie’zu identifizieren, um (weiteren) Verkehrsverstößen, die Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer gefährden können, vorzubeugen (BVerwG, Urt. v. 28.2.1964 – VII C 91.61). Mit der Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, soll in Ergänzung der Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht der’§§ 1 ff., 8 FZV dafür gesorgt werden, dass anders als in dem Fall, der Anlass zur Auferlegung eines Fahrtenbuchs gegeben hat, künftig die Feststellung des ...

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