Zum wiederholten Male hatte das BVerfG zu entscheiden, ob Beratungshilfe in einem sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren unter Hinweis auf behördliche Beratungspflichten versagt werden kann (Urt. v. 7.10.2015 – 1 BvR 1962/11, Wenner SoSi plus, Heft 1/2016, S. 1). Im konkreten Fall ging es um einen Antrag auf Leistung zur medizinischen Rehabilitation, der abgelehnt wurde. Für den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid wollte der Beschwerdeführer anwaltliche Unterstützung in Anspruch nehmen und beantragte Beratungshilfe. Der Antrag wurde von dem zuständigen Amtsgericht im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dem Beschwerdeführer hätten Selbsthilfemöglichkeiten i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerHG zur Verfügung gestanden. Der Widerspruch hätte von ihm selbst beim Rentenversicherungsträger vor Ort eingelegt werden können.

Das BVerfG hat bereits mehrfach entschieden (s. etwa BVerfG, Beschl. v. 6.9.2010 – 1 BvR 440/10), dass des die Ablehnung der Beratungshilfe für die Einlegung eines Widerspruchs auf dem Rechtsgebiet des SGB unter dem pauschalen Hinweis auf Selbsthilfemöglichkeit als verfassungswidrig gilt wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtswahrnehmungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG), der eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten auch im Bereich des außergerichtlichen Rechtsschutzes gewährleisten soll. Es sei nicht zumutbar, den Rat derselben Behörde in Anspruch zu nehmen, deren Entscheidung angegriffen werden soll. Ein Hinweis auf Beratungspflichten der den Bescheid erlassenden Behörde bzw. der Widerspruchsbehörde stelle keine zumutbare Selbsthilfemöglichkeit dar, wenn – wie hier – jegliche Beurteilung anhand der Umstände des Einzelfalls (verfügt der Rechtssuchende über ausreichende Kenntnisse? Liegt ein Fall vor, der schwierige Rechtsfragen aufwirft?) unterbleibt.

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