I. Einleitung

Mit der Einführung des Rechtsinstituts der Restschuldbefreiung im Jahre 1999 hat der Gesetzgeber der Bundesrepublik juristisches Neuland betreten. Die Vorschriften des Achten Teils der Insolvenzordnung eröffnen verschuldeten natürlichen Personen erstmals im deutschen Recht die Möglichkeit, sich auf gesetzlicher Grundlage ohne das Erfordernis der Gläubigerzustimmung von ihren Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern zu befreien. Die unter gesetzlichen Voraussetzungen und in einem rechtsförmigen Verfahren erteilte Restschuldbefreiung beendet die Nachhaftung des Schuldners gem. § 201 Abs. 1 InsO mit seinem künftigen Vermögen. Anders als im angloamerikanischen Rechtssystem führt nicht bereits die Verwertung des Schuldnervermögens in einem Insolvenzverfahren zu einer Entschuldung, sondern die Insolvenzordnung normiert für eine Zeitspanne von maximal sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 287 Abs. 2 InsO) bestimmte Mitwirkungspflichten des Schuldners. Erst nach erfolgreichem Abschluss des Restschuldbefreiungsverfahrens endet das freie Nachforderungsrecht der Gläubiger. Ausgenommen davon sind die in § 302 InsO genannten Forderungen. Auch für die anwaltliche Beratung von Gläubigern und Schuldnern ist das Rechtsinstitut der Restschuldbefreiung weiterhin bedeutsam. Denn mehr als 17 Jahre nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung suchen jährlich ca. 100.000 Schuldner den Zugang zum Insolvenzverfahren; nach wie vor befinden sich zudem zahlreiche Schuldner in der sog. Wohlverhaltensperiode und hoffen darauf, von ihren im Insolvenzverfahren nicht befriedigten Verbindlichkeiten befreit zu werden Das Interesse der Gläubiger ist demgegenüber auf eine vollständige Realisierung ihrer Forderungen ausgerichtet, so dass bereits während des eröffneten Verfahrens und der sich nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens anschließenden Wohlverhaltensperiode bzw. restlichen Laufzeit der Abtretungsfrist ein möglicher Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung näher in Erwägung zu ziehen ist.

II. Anwendungsbereich

Restschuldbefreiung nach Maßgabe der §§ 286 ff. InsO kann nur eine natürliche Person erlangen, unabhängig von ihrer sozialen Stellung oder Herkunft. Einer Erstreckung der Wirkungen der Restschuldbefreiung auf juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit bedurfte es nicht. Denn bei juristischen Personen führt das Insolvenzverfahren zur Auflösung (§ 42 Abs. 1 S. 1 BGB, § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG, § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, § 101 GenG) und regelmäßig auch zur Löschung im Handelsregister. Entsprechendes gilt für Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, wenn kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (§ 131 HGB), weil das den Gläubigern haftende beschränkte Vermögen regelmäßig durch das Verfahren selbst aufgezehrt ist.

 

Hinweis:

Mit Hilfe der Restschuldbefreiung können sich nicht nur Verbraucher, sondern auch unternehmerisch tätige Schuldner, verschuldete Freiberufler und andere selbstständig tätige natürliche Personen von ihren Verbindlichkeiten befreien. Auf diese Möglichkeit soll das Gericht den Schuldner unmittelbar nach der Prüfung der Zulässigkeit des Insolvenzantrags hinweisen. Aufgrund des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013 (BGBl I, S. 2379) wurde die Belehrungspflicht auf den Zeitpunkt der Prüfung der Zulässigkeit des Insolvenzantrags vorverlegt (BT-Drucks 14/5680 S. 24/25).

Unterschiede zwischen den einzelnen Personengruppen bestehen lediglich hinsichtlich des vorgeschalteten Insolvenzverfahrens. So unterliegt eine natürliche Person, die selbstständig wirtschaftlich tätig ist, ausschließlich den Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens, während ein Schuldner, der keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, das Verbraucherinsolvenzverfahren zu durchlaufen hat, um Restschuldbefreiung zu erlangen. Besonderheiten gelten für denjenigen Schuldner, der eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat (vgl. § 304 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 InsO).

Die Vorlage eines Nullplans im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren (§§ 307 ff. InsO) steht der vom Schuldner angestrebten Restschuldbefreiung im Falle des Scheiterns des Plans nicht entgegen (vgl. BGH NZI 2014, 34). Die Insolvenzordnung setzt – sieht man von der vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung nach § 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO ab – keine bestimmte Mindestquote als Ergebnis einer konkursmäßigen Befriedigung voraus (vgl. BGHZ 134, 79, 91 ff.).

1. Vorrang des Insolvenzverfahrens

Die Erteilung der Restschuldbefreiung nach Maßgabe der §§ 286 ff. InsO setzt die Durchführung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Person voraus, die Restschuldbefreiung beantragt hat (vgl. § 289 InsO; OLG Köln ZIP 2000, 548, 549; Uhlenbruck/Sternal, InsO, 14. Aufl. 2015, Vor § 286 Rn 45). Kommt es nicht zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder wird das Verfahren gem. §§ 207, 212 oder § 213 InsO eingestellt, finden die Vorschriften über die Restschuldbefreiung keine Anwendung.

Da zwingende...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge