Anfang 2016 befasste sich das BVerfG auf Vorlage des BGH mit der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Kreises der sozietätsfähigen Berufe auf Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in § 59a Abs. 1 BRAO. Wie angesichts der "Vorarbeiten" des BGH (Beschl. v. 16.5.2013 – II ZB 7/11) zu erwarten war, sah der I. Senat das berufsrechtliche Verbot eines interprofessionellen Zusammenschlusses eines Rechtsanwalts mit einer gutachterlich tätigen Ärztin und Apothekerin in einer Partnerschaftsgesellschaft als nicht gerechtfertigten Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit an. Der Senat stellt insoweit vor allem darauf ab, dass das berufsrechtliche Schutzniveau von Ärzten und Apothekern nicht hinter dem von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, die in § 59a BRAO als sozietätsfähige Berufe anerkannt sind, zurückbleibt (BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13; BGH, Beschl. v. 12.4.2016 – II ZB 7/11; s. ausführlich Henssler/Deckenbrock AnwBl 2016, 211; Kilian/Glindemann BRAK-Mitt. 2016, 102; Römermann NJW 2016, 682).

Relevant sind allerdings nicht so sehr die unmittelbaren Beschlussfolgen. So ging es vordergründig allein um gutachterliche Tätigkeiten von Ärzten und Apothekern, also insbesondere nicht um die Ausübung des Heilberufs oder den Betrieb einer Apotheke, und damit um ein schmales Feld der Beratungsbranche. Die Entscheidung zeigt jedoch – insbesondere im Zusammenspiel mit dem bereits Anfang 2014 ergangenen Beschluss zur Verfassungswidrigkeit von Mehrheitserfordernissen in der interprofessionellen Sozietät (BVerfG, Beschl. v. 14.1.2014 – 1 BvR 2998/11, 1 BvR 236/12) – eindrucksvoll, dass die derzeitige Architektur des anwaltlichen Gesellschaftsrechts verfassungsrechtlich nicht haltbar ist. Insoweit bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber das anwaltliche Gesellschaftsrecht nicht nur im Sinne der BVerfG-Rechtsprechung repariert, sondern sich zu einer vollständigen Reform durchringt. Zu den Eckpunkten dieser Neuordnung sollten insbesondere die Ermöglichung der beruflichen Zusammenarbeit von Anwälten mit allen, zumindest aber mit allen verkammerten Berufsgruppen, die vollständige berufsrechtliche Anerkennung der Berufsausübungsgemeinschaft mit rechtsformneutralen Regelungen zur Zulassung, zur Postulationsfähigkeit und zur berufsrechtlichen Verantwortlichkeit sowie die Aufnahme von Gesellschaften in ein erweitertes Rechtsanwaltsverzeichnis zählen (zum Reformbedarf s. Deckenbrock AnwBl 2014, 118; Henssler AnwBl 2017, 378). Immerhin hat das BMWi in dem am 12.4.2017 verabschiedeten nationalen Reformprogramm 2017 verlautbart, die längst überfällige Reform des anwaltlichen Gesellschaftsrechts in der kommenden Legislaturperiode endlich anzugehen.

Solange es nicht zur Reform des anwaltlichen Berufsrechts kommt, werden die Möglichkeiten beruflicher Zusammenarbeit durch die Gerichte auch weiterhin eng begrenzt werden. So hat etwa der AGH Niedersachsen nunmehr entschieden, dass eine Bürogemeinschaft zwischen einem Rechtsanwalt und einem Mediator/Berufsbetreuer verboten bleibt (AGH Niedersachsen, Urt. v. 22.5.2017 – AGH 16/16 [I 9]). Kurios war dabei, dass der Mediator/Berufsbetreuer bis zur freiwilligen Rückgabe seiner Zulassung ebenfalls Rechtsanwalt und in dieser Funktion sogar Sozius seines nunmehrigen Bürokollegen gewesen ist. Davon unbeeindruckt stellte der AGH maßgeblich darauf ab, dass Mediatoren bzw. Berufsbetreuer, anders als Ärzte und Apotheker, keiner den Rechtsanwälten vergleichbaren strafrechtlich und prozessual abgesicherten Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Trotz der Vorgaben des BVerfG sei daher nicht davon auszugehen, dass bei einer solchen Zusammenarbeit die Einschränkung des § 59a Abs. 1 BRAO, die nach § 59a Abs. 3 BRAO für die Bürogemeinschaft entsprechend gilt, verfassungswidrig ist.

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