Zusammenfassung

  1. Die Schadensregulierung im Auftrag des Versicherers gehört im Regelfall nicht als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers.
  2. Der Begriff der Rechtsdienstleistung in § 2 Abs. 1 RDG erfasst jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht; ob es sich um eine einfache oder schwierige Rechtsfrage handelt, ist dabei unerheblich. (Leitsätze des Gerichts)

BGH, Urt. v. 14.1.2016 – I ZR 107/14, ZAP EN-Nr. 596/2016

Bearbeiter: Professor Dr. Martin Henssler, Köln/Dr. David Markworth, Köln

I. Problemstellung

Das 2008 eingeführte Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG) eröffnet in § 5 RDG jedem Unternehmer die Möglichkeit, ergänzende Rechtsdienstleistungen zu erbringen, wenn sie im Zusammenhang mit einer anderen Haupttätigkeit stehen. Für zahlreiche Berufsgruppen, denen an sich der Zugang zum Rechtsberatungsmarkt verwehrt ist, eröffnen sich hierdurch finanziell attraktive Perspektiven, das eigene Dienstleistungsangebot um ergänzende Rechtsdienstleistungen zu erweitern. § 5 RDG wird daher als eine der wichtigsten Änderungen gegenüber dem früheren RBerG eingestuft (vgl. Deckenbrock/Henssler, RDG, 4. Aufl. 2015, § 5 Rn 4). Die Vorschrift birgt jedoch ein nicht unerhebliches Potenzial für Abgrenzungsschwierigkeiten. Dem BGH bot sich nunmehr die Gelegenheit, für einige für die Praxis bedeutsame Klarstellungen zu sorgen.

II. Sachverhalt

Das beklagte Maklerunternehmen vermittelte einen Versicherungsvertrag zwischen einem Textilreinigungsunternehmen als Versicherungsnehmer und einem Haftpflichtversicherer. Die Bearbeitung auftretender versicherter Schadensfälle übertrug der Versicherer dabei auf den Versicherungsmakler, wofür er ihm im Gegenzug eine erhöhte Courtage zahlte. Als der Versicherungsnehmer wegen eines Schadensfalls in Anspruch genommen wurde, übernahm es dementsprechend der Versicherungsmakler, dem geschädigten Kunden im Auftrag des Versicherers und unter Auswertung einschlägiger Rechtsprechung darzulegen, weshalb sein Anspruch nur in einer bestimmten Höhe gegeben sei.

Nach Auffassung der klagenden Rechtsanwaltskammer Köln stellte dies eine gegen das RDG verstoßende unerlaubte Rechtsdienstleistung dar, weshalb sie das Maklerunternehmen wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung in Anspruch nahm. Vor dem OLG Köln blieb die Klage in der zweiten Instanz ohne Erfolg (vgl. OLG Köln VersR 2015, 1181). Die Tätigkeit der Beklagten sei jedenfalls schadensregulierend und damit gem. § 5 Abs. 1 RDG als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Beklagten erlaubt. Der BGH hob das Urteil des OLG Köln auf und änderte das erstinstanzliche Urteil dahingehend ab, dass der Klage stattgegeben wird.

3 Wesentlicher Inhalt der Entscheidung

Der BGH wählt in seiner Urteilsbegründung einen auf den ersten Blick verwirrenden zweistufigen Entscheidungsaufbau. Entgegen der gesetzlichen Systematik prüft und verneint er zunächst das Vorliegen des Erlaubnistatbestands des § 5 Abs. 1 RDG, wobei auch der Tatbestand der Interessenkollision gem. § 4 RDG angesprochen wird. Erst dann geht er auf die gedanklich vorrangige Frage ein, ob und inwiefern eine Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG erbracht wurde, der Anwendungsbereich des RDG also überhaupt eröffnet ist.

Zulässigkeit der vorgenommenen Tätigkeit als Nebenleistung i.S.d. § 5 RDG

Nach Auffassung des BGH ist der Erlaubnistatbestand des § 5 Abs. 1 RDG nicht erfüllt, da die durch das beklagte Maklerunternehmen vorgenommene Doppeltätigkeit sowohl für den Versicherungsnehmer bei der Vermittlung des Versicherungsvertrags als auch für den Versicherer im Rahmen der Schadensregulierung nicht als erlaubte, zum in § 59 Abs. 3 VVG gesetzlich definierten Berufs- oder Tätigkeitsbild eines Versicherungsmaklers gehörende schadensregulierende Nebenleistung angesehen werden könne.

Die Frage, ob eine Nebenleistung vorliegt, ist gem. § 5 Abs. 1 S. 2 RDG nach Inhalt, Umfang und sachlichem Zusammenhang der Leistung mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Vorliegend bestehe, so der BGH, zwischen dem Schreiben der Beklagten und dem vermittelten Versicherungsvertrag zwar ein sachlicher Zusammenhang. § 34d Abs. 1 GewO bringe jedoch zum Ausdruck, dass der Versicherungsmakler treuhänderischer Sachwalter des Versicherungsnehmers sei und in dessen Lager stehe. Dies habe zur Folge, dass er als Nebenleistung i.S.d. § 5 RDG zwar für den Versicherungsnehmer, nicht aber (auch) für den Versicherer schadensregulierend tätig werden dürfe.

Als weiteres Indiz für die Unzulässigkeit nach § 5 Abs. 1 RDG stellt der BGH darauf ab, dass die Leistung des beklagten Maklerunternehmens gerade nicht aufgrund einer Vereinbarung mit dem Versicherungsnehmer als Auftraggeber der Haupttätigkeit erbracht wurde, sondern auf einem gesondert vergüteten entgeltlichen Vertrag mit der Versicherung beruhte. Zudem würden für die H...

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