I. Allgemeines

1. Einleitung

Für die Praktiker des Erbrechts ist der 17.8.2015 ein einschneidender Tag. An diesem Tag kommt die Europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) auf alle Erbfälle in der Europäischen Union (EU) zur Anwendung und gleichzeitig tritt das Deutsche Verfahrensrecht zur Durchführung der Verordnung in Kraft. Mit der Anknüpfung des Erbstatuts an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt und nicht mehr an die Staatsangehörigkeit und die Möglichkeit der Rechtswahl treten gravierende Änderungen in Kraft. Hinzu kommt die Möglichkeit, ein Europäisches Nachlasszeugnis (ENZ) für Erbfälle mit internationalem Bezug beantragen zu können. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es jährlich annähernd 500.000 Erbrechtsfälle mit Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat der EU. Damit besteht ein erhöhter Bedarf für verbindliche Regelungen für die Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle in der EU und im Verhältnis zu Drittstaaten. Der Beitrag gibt eine Übersicht über diese Änderungen.

 

Hinweis:

Einzelheiten sind der Verordnung, der Durchführungsverordnung und dem Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften zu entnehmen. Zur Aufsatzliteratur wird auf den lesenswerten Beitrag von Swane (ErbR 2015, 182–189) verwiesen.

2. Historie

Das Europäische Parlament sowie der Rat haben die Notwendigkeit einheitlicher Abwicklungen gesehen und mit dem Erlass der Europäischen Erbrechtsverordnung verbindliche Regelungen getroffen. Diese Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 650/2012) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses wurde am 13.3.2012 vom Europäischen Parlament verabschiedet und am 7.6.2012 vom Rat gebilligt und zwischenzeitlich im Amtsblatt der EU (L 201 v. 27.7.2012, S. 107–134) veröffentlicht. Nach Art. 84 Abs. 1 EU-ErbVO trat sie am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt, am 16.8.2012, in Kraft. Bis zur Anwendbarkeit der Vorschriften war allerdings ein Übergangszeitraum bis zum 16.8.2015 vorgesehen. Seit dem 17.8.2015 kommt die Verordnung zur Anwendung.

 

Hinweis:

Bei der Erbrechtsverordnung handelt es sich um einen Rechtsakt der EU, der als Verordnung unmittelbar, auch ohne inländischen Regelungsbefehl, in den Mitgliedstaaten anwendbar ist. Inhaltlich regelt die Erbrechtsverordnung die klassischen Fragen des internationalen Privatrechts und darüberhinaus wird aber mit der Einführung des Europäischen Nachlasszeugnisses europarechtliches "Neuland" betreten.

Bereits am 9.12.2014 hat die Europäische Kommission eine Durchführungsverordnung – (EU) Nr. 1329/2014 der Kommission zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der EU-ErbVO – (EU) Nr. 650/2012 erlassen (vgl. ABl. EU L 359 v. 16.12.2014, S. 30 ff.). Auch der deutsche Gesetzgeber war fleißig. Der Deutsche Bundestag hat am 21.5.2015 einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften (BT-Drucks. 18/4201) in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (BT-Drucks. 18/4961) angenommen, die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt erfolgte am 3.7.2015 (BGBl I, S. 1042 ff.).

3. Umsetzung

Die EU-ErbVO ist in Deutschland geltendes Recht und bedarf deshalb keinerlei Umsetzung in nationales Recht. Durch sie soll die Abwicklung eines Erbfalls mit grenzüberschreitendem Bezug im europäischen Rechtsraum vereinfacht und beschleunigt werden. Um dieses zu erreichen, legt die EU-ErbVO einheitliche Regeln darüber fest, welches nationale Erbrecht auf einen internationalen Erbfall anzuwenden ist. Zahlreiche nationale Kollisionsnormen in den Mitgliedstaaten, in denen die Verordnung unmittelbar gilt, werden durch vereinheitlichte Kollisionsnormen der EU verdrängt, wie etwa in Deutschland insbesondere Art. 25 EGBGB. Daneben regelt die EU-ErbVO die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen, die Beweiskraft und Vollstreckbarkeit sonstiger öffentlicher Urkunden in Erbsachen und es wird als Neuerung ein Europäisches Nachlasszeugnis ähnlich dem deutschen Erbschein eingeführt.

Um die Verpflichtung aus der EU-ErbVO vollständig umsetzen zu können, bedurfte es jedoch einiger Durchführungsvorschriften. Diese sind für die Bundesrepublik Deutschland im Gesetz zum internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 29.6.2015 (BGBl I, S. 1042 ff.), welches ebenfalls am 17.8.2015 in Kraft getreten ist, enthalten. Es wurden die innerstaatlichen deutschen Vorschriften an das System der EU-ErbVO angepasst, um eine möglichst reibungslose Anwendung zu ermöglichen. Es handelt sich hierbei um Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen, um dem Verordnungsrecht zur Wirksamkeit zu verhelfen. Auch für das mit der EU-ErbVO eingeführte Europäische Nachlasszeugnis sieht da...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge