Ein Urteil im JGG-Verfahren, das mit einer Verwarnung und einer Geldauflage ausschließlich ein Zuchtmittel (§ 13 Abs. 2 Nr. 1, 2 JGG) gegen den Angeklagten anordnet, kann gem. § 55 Abs. 1 S. 1 JGG nicht wegen des Umfangs der Maßnahme und nicht deshalb angefochten werden, weil andere Erziehungsmaßregeln oder andere Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen (vgl. wegen der Einzelheiten Schimmel, in: Burhoff/Kotz (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 2. Aufl. 2016, Teil A Rn 817 ff.). Dementsprechend kann ein Rechtsmittel gegen ein allein derartige Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts verhängendes Urteil lediglich darauf gestützt werden, dass die Schuldfrage aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen falsch beurteilt oder die verhängte Sanktion selbst rechtswidrig ist (so auch BGH StraFo 2013, 428 = NStZ 2013, 659 = StRR 2014, 63; OLG Celle NStZ-RR 2001, 121; OLG Dresden, Beschl. v. 31.1.2003 – 1 Ss 708/02).

Folge dieser gesetzlichen Beschränkung des § 55 Abs. 1 S. 1 JGG ist, dass eine Revision unzulässig ist, wenn sich aus der Begründung der Revisionsanträge ein zulässiges Angriffsziel nicht eindeutig entnehmen lässt. So jetzt auch noch einmal der OLG Hamm (Beschl. v. 7.2.2017 – 5 RVs 6/17): Für den Revisionsführer ergibt sich daher die Notwendigkeit, eindeutig klarzustellen, dass mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt wird (vgl. BVerfG NStZ-RR 2007, 385; BGH a.a.O.). Diese Beschränkung zulässiger Rechtsmittelziele dient der Beschleunigung des Jugendstrafverfahrens im Interesse der damit verfolgten erzieherischen Wirkung, die in ganz besonderem Maße eine möglichst baldige rechtskräftige Entscheidung verlangt (vgl. BVerfG a.a.O.). Vor diesem Hintergrund dient die eindeutige Angabe eines zulässigen Angriffsziels dazu, eine Umgehung der gesetzlichen Rechtsmittelbeschränkung gem. § 55 Abs. 1 S. 1 JGG zu verhindern, und ist deshalb auch verfassungsrechtlich zulässig. Insofern werden auch keine unzumutbaren Anforderungen an den Zugang zu den Revisionsgerichten gestellt (BVerfG a.a.O.).

 

Hinweis:

Das bedeutet: Um die Anforderungen an einen ausreichenden Revisionsantrag bei einem gegen ein in den Anwendungsbereich von § 55 Abs. 1 S. 1 JGG fallenden Rechtsmittel zu erfüllen, darf nicht nur allgemein die Verletzung materiellen und formellen Rechts gerügt und beantragt werden, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Vielmehr muss dem Revisionsantrag entweder als solchem oder der Revisionsbegründung oder der Zusammenschau beider das Angriffsziel zu entnehmen sein (OLG Hamm a.a.O.).

In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass zur Klärung des Angriffsziels auch außerhalb der Rechtsmittelerklärung selbst liegende Umstände berücksichtigt werden dürfen (vgl. BVerfG a.a.O.; BGH a.a.O.; OLG Celle a.a.O.; OLG Hamm, Beschl. v. 31.5.2016 – 3 RVs 42/16). Insbesondere zählt zu diesen Umständen auch das bisherige Prozessverhalten des Angeklagten. Das hat den Angeklagten in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall "gerettet". Denn der Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht die Tatbegehung in Abrede gestellt und sich in der Berufungshauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen, und der Verteidiger hatte in beiden Tatsacheninstanzen beantragt, den Angeklagten freizusprechen. Da lag es für das OLG "nahe", dass mit der Revision das Ziel verfolgt werden sollte, den Schuldspruch selbst und nicht lediglich Art und Umfang der angeordneten Zuchtmittel anzufechten.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge