Die Klägerin – die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) – ist Mitglied der dbb tarifunion. Die beklagte Arbeitgeberin gehört dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV Bayern) an. Dieser schloss im Jahr 2006 mit ver.di und der dbb tarifunion jeweils einen gleichlautenden Tarifvertrag. Nach deren Kündigungen und zunächst gemeinsam geführten Verhandlungen erzielte ver.di mit dem KAV Bayern am 20.8.2010 eine Einigung. Die dbb tarifunion erklärte die Verhandlungen am 25.8.2010 für gescheitert und kündigte die Durchführung einer Urabstimmung über Streikmaßnahmen an. Mit Schreiben vom selben Tag forderte die Arbeitgeberin die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer auf, unter Angabe von Name und Personalnummer mitzuteilen, ob man Mitglied in der GDL ist oder nicht. Die GDL hat von der Arbeitgeberin die Unterlassung jeglicher schriftlicher Aufforderungen an die in deren Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer, sich schriftlich darüber zu erklären, ob sie bei der GDL organisiert sind oder nicht, verlangt. Eine solche Frage verletze ihre durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit und sei generell unzulässig.

Das BAG (Urt. v. 18.11.2014 – 1 AZR 257/13, NZA 2015, 306) wies den Antrag ab. Zwar beeinträchtigt die Fragebogenaktion die kollektive Koalitionsfreiheit der GDL. Art. 9 Abs. 3 GG schützt als koalitionsmäßige Betätigung den Abschluss von Tarifverträgen und hierauf gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen und kann i.V.m. §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB einen Unterlassungsanspruch begründen. Die geforderte Auskunft verschafft der Arbeitgeberin genaue Kenntnis vom Umfang und der Verteilung des Mitgliederbestands der GDL in ihrem Betrieb. Sie zielt nach Art und Weise der Befragung während einer laufenden Tarifauseinandersetzung mit Streikandrohung darauf ab, den Verhandlungsdruck der GDL unter Zuhilfenahme ihrer Mitglieder zu unterlaufen. Das von der Arbeitgeberin vorgebrachte Interesse, die mit ver.di erzielte Tarifeinigung umzusetzen, rechtfertigt eine solche Befragung nicht.

Gleichwohl hatte der nicht auf den vorstehenden Sachverhalt beschränkte, sondern alle denkbaren Fallgestaltungen umfassende Unterlassungsantrag ("jegliche schriftliche Aufforderungen") der GDL aus deliktsrechtlichen Gründen keinen Erfolg. Der Senat hatte daher nicht darüber zu befinden, ob in einem sog. tarifpluralen Betrieb in einer erfolgten Aufforderung generell und ausnahmslos eine rechtswidrige Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsfreiheit besteht, oder ob und unter welchen Umständen der Arbeitgeber nach der Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer fragen darf oder nicht. Für die nicht vom Anlassfall umfassten Fallgestaltungen fehlt es an der für einen Anspruch aus §§ 1004 Abs. 1, 823 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG notwendigen Begehungsgefahr. Die Besorgnis weiterer Beieinträchtigungen ist Tatbestandsmerkmal des Unterlassungsanspruchs (vgl. § 104 Abs. 1 S. 2 BGB) und damit materielle Anspruchsvorraussetzung.

 

Hinweise:

  1. Das BAG hat die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit bei der Einstellung bereits im Jahr 1987 entschieden (BAG, Urt. v. 2.6.1987 – 1 AZR 651/85, BAGE 54, 353; bestätigt: BAG, Urt. v. 28.3.2000 – 1 ABR 16/99, BAGE 94, 169): Sie ist unzulässig.
  2. Das BAG hat die Rechtsprechung in Bezug genommen (BAG, Beschl. v. 27.1.2010 – 4 AZR 537/08 (A), Rn. 47 ff.), wonach die unzulässige Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit im Falle einer Tarifpluralität nicht zu "tatsächlichen Unzuträglichkeiten" führe.
  3. Ein Unterlassungsantrag ist stets dann unbegründet, wenn er als sog. Globalantrag so weit gefasst ist, dass er zumindest eine Sachverhaltsgestaltung umfasst, die nicht vom Anlass der Antragstellung gedeckt ist.
  4. Es sind deshalb stets zunehmend enger gefasste Unterlassungsanträge als Hilfsanträge – ggf. nach rechtlichem Hinweis des Gerichts nach § 139 BGB – zu stellen.

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