Zusammenfassung

Die Corona-Pandemie hat derzeit die Welt voll im Griff. Es gibt so gut wie kein Land, in dem noch keine Menschen mit dem Virus infiziert wurden. Die Auswirkungen sind für die gesamte Weltbevölkerung nicht absehbar, die wirtschaftlichen Folgen immens, wenn nicht sogar katastrophal. Insbesondere die gesamte Touristik-Branche leidet wirtschaftlich unter den Folgen der Corona-Pandemie, weil mittlerweile fast alle Länder dieser Erde dazu übergegangen sind, die Grenzen für Nicht-Einheimische zu schließen, und damit eine Anreise in Urlaubsländer verhindern. Reiseveranstalter können die Urlauber nicht mehr an die Urlaubsorte befördern. Hotels sind geschlossen. Kreuzfahrtschiffe haben ihre Reisen unterbrochen bzw. abgesagt. Die Luftfahrt ist bis auf einen kleinen zivilen Teil fast vollständig eingestellt.

Mittlerweile hat die Bundesregierung die Reisebeschränkungen zum Ferienbeginn jedoch gelockert, sodass Reisen in die benachbarten EU-Mitgliedsländer sowie in Schengen-assoziierte Staaten (Island, Liechtenstein, Schweiz) möglich sind. Von (nicht notwendigen, touristischen) Reisen nach Großbritannien und Nordirland wird derzeit noch abgeraten, ebenso von Reisen nach Skandinavien (hier ist die Reisewarnung noch in Kraft; Stand: 22.6.2020; s. auch: https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/covid-19/2296762 ). Für alle übrigen Länder gilt jedoch weiterhin die weltweite Reisewarnung. Diese Regelungen gelten vorerst bis einschließlich zum 31.8.2020.

In diesem Zusammenhang versucht der Beitrag, die Auswirkungen der Corona-Verbreitung und ihre sachlichen Folgen unter dem Gesichtspunkt der reisrechtlichen Vorschriften zu beleuchten und Fragen, die sich bis heute daraus ergeben, zu beantworten.

I. Pauschalreisen

1. Rechte des Reisenden

Seit dem 1.7.2018 gelten die neuen §§ 651a ff. BGB. Mit diesen wurde die EU-Richtlinie 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des EU-Rates vom 25.11.2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 umgesetzt. Zentrale Vorschrift ist § 651a BGB, der in Abs. 2 die Pauschalreise als eine Gesamtheit von mindestens zwei Reiseleistungen für den Zweck derselben Reise definiert. Typischerweise bestehen diese Leistungen aus der Beförderung der Reisekunden mit dem Flugzeug in das Urlaubszielgebiet und der entsprechenden Unterbringung im Club, Hotel oder auf einem Schiff.

Was kann der Verbraucher unternehmen, wenn ihm wegen der Corona-Pandemie die Einreise in das betreffende Urlaubsland verweigert wird und/oder das Auswärtige Amt eine sog. Reisewarnung herausgegeben hat?

a) Normalfall/Rücktritt

Grundsätzlich kann der Reisende vor Beginn der Reise jederzeit den Rücktritt vom Vertrag erklären (§ 651h Abs. 1 BGB). Der Rücktritt löst normalerweise einen Entschädigungsanspruch für den Reiseveranstalter aus. Dieser kann dann eine sog. Stornopauschale verlangen oder eine konkrete Entschädigung berechnen. Diese ist vom Reisepreis in Abzug zu bringen, der Rest dem Kunden auszuzahlen.

Aber: § 651h Abs. 3 BGB befreit den Pauschalreisenden unter bestimmten Voraussetzungen von dieser Pflicht der Entschädigung. Diese Bedingungen liegen vor, wenn die Durchführung der Reise durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände erschwert oder die Beförderung der Personen zum Bestimmungsort erheblich beeinträchtigt wird.

 

Hinweis:

Der Begriff "unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände" hat den Begriff der "höheren Gewalt" aus § 651j BGB a.F. abgelöst.

Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich, wenn sie

  • nicht von der Partei, die sich darauf beruft, kontrolliert werden können und
  • sich die Folgen trotz aller zumutbaren Vorkehrungen nicht vermeiden lassen.

Epidemien und Pandemien mit lebensbedrohlichen Viren gehören mit Sicherheit dazu. Diese sind von niemandem zu beherrschen, und eine Beherrschbarkeit ist derzeit bei der Coronakrise noch lange nicht in Sicht. Die betroffenen Länder bemühen sich um die Eindämmung der Infizierung ihrer Bevölkerungen. Auch der Reisende hat keinen Einfluss darauf, wie sich das Virus verhält.

Da der reisende Pauschalurlauber selbst keine Maßnahmen ergreifen kann, um die reiserelevanten Folgen der Pandemie (z.B. Schließung der Grenze im Urlaubsland) zu verhindern, liegen die Voraussetzungen für den kostenfreien Rücktritt von der gebuchten Pauschalreise vor. Ein starkes Indiz für die Gefahrenlage durch eine Epidemie oder Pandemie sind Reisewarnungen des Auswärtigen Amts. Es ist davon auszugehen, dass die Gerichte dem Kunden ein kostenfreies Rücktrittsrecht zubilligen werden, soweit eine solche Reisewarnung vorliegt.

b) (Zeitlich befristete) Reisewarnung

Problematisch wird es, wenn die Reisewarnung zeitlich befristet ist. Denn theoretisch könnte zu einem späteren Zeitpunkt, also nach Ablauf der Befristung, die Reise in das betroffene Land wieder möglich sein.

Hier eine treffsichere Prognose zu wagen, ist schwierig – zumal verständlicherweise die Reiseveranstalter Rücktrittserklärungen der Kunden mit damit verbundenen Rückzahlungsverpflichtungen für die Veranstalter vermeiden wollen.

Demgegenüber haben aber die Kunden ein Interesse daran, Sicherheit z...

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