Der III. Zivilsenat des BGH hat mit einem Beschluss vom 31.1.2019 (III ZB 88/18, ZAP EN-Nr. 198/2019) eine für Rechtsanwälte bedenkliche Rechtsprechungsmarke gesetzt. Eine Rechtsanwältin hatte sich offenbar an der romantischen Erzählung von Franz Werfel (1940) "Eine blassblaue Frauenschrift" orientiert. Sie hat ihren Berufungsbegründungsschriftsatz mit blass-hellblauer Tinte unterzeichnet, die auf dem Original nur schwach lesbar war, und diese am letzten Tag der Frist (vorab) per Fax eingereicht. Im Faxausdruck des Gerichts ist die Unterschrift nicht (mehr) erkennbar. Das Original reichte sie per Post nach. Das Berufungsgericht geht von einer nicht fristgerecht eingereichten Berufungsbegründung aus, weist einen Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwirft die Berufung als unzulässig (OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.12.2018 – 2 U 123/17).

Nach Ansicht des Berufungsgerichts genüge der Rechtsanwalt seinen Pflichten nur, wenn er einen fristwahrenden Schriftsatz, den er per Telefax an das Gericht übermitteln wolle, so markant unterschreibt, dass sicher davon auszugehen sei, dass seine Unterschrift bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge auf dem Ausdruck des Telefaxes deutlich zu erkennen sein werde. Diesen Anforderungen genüge eine schwache und blasse Unterschrift nicht. Der III. Zivilsenat meint, dass damit die Anforderungen an die Wiedergabe einer Unterschrift unter einer per Telefax übermittelten Rechtsmittelbegründung gem. § 130 Nr. 6 ZPO nicht überspannt worden seien.

Die Entscheidung mag auf den ersten Blick überraschen – gleichwohl lässt sie sich auf eine Rechtsprechungslinie zurückführen: Bereits mit Beschlüssen vom 4.5.1994 (XII ZB 21/94) und 11.10.1989 (IVa ZB 7/89) hat der BGH ausgeführt, dass es erforderlich ist, dass die Kopiervorlage unterschrieben ist und dass diese Unterschrift auf der Fernkopie wiedergegeben wird.

Auch wenn man damit akzeptieren mag, dass die Frist zur Berufungsbegründung abgelaufen war, erschließt sich noch nicht ganz, warum dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben wurde. Kraft freier Beweiswürdigung ist das Berufungsgericht zu der Tatsachenwürdigung gekommen, dass die Unterschrift "dermaßen blass" gewesen sei, dass man nicht habe erwarten können, diese werde auf der bei Gericht eingehenden Telekopie sichtbar sein. Die Versendung eines solchen Schriftsatzes stelle damit ein Verschulden dar.

Auch wenn der III. Senat ausführt, dass das Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) nicht verletzt sei, mag man Vollkommer in seiner Anmerkung zu diesem Urteil zustimmen, dass der Unterschriftsformalismus des BGH vor das BVerfG kommen sollte (MDR 2019, 566 f.).

Aus dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 19 Abs. 4 GG) folgt, dass die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand regelnden Vorschriften die Anforderungen an das, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannen dürfen (vgl. z.B. BVerfG, Beschl. vom 14.12.2001 – 1 BvR 1009/01 = NJW-RR 2002, 1004 f.). In ständiger Rechtsprechung vertritt das BVerfG den Rechtssatz, dass der Zugang zur nächsten Instanz nicht in unzumutbarer Weise, d.h. aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (statt vieler BVerfGE 63, 45, 70 f.; 74, 228, 234; 77, 275, 284; 78, 88, 99).

Legt man diesen Obersatz zugrunde, stellt sich die Frage, welchen Sachgrund es für die restriktive Auffassung der Zivilgerichte gegeben haben mag. Tatsächlich fällt es schwer, einen solchen zu erkennen, denn das Berufungsgericht musste ohnehin den Eingang des Originals abwarten, um festzustellen, worauf der Nichtausdruck der Unterschrift auf dem Faxausdruck beruht. Stellt sich sodann heraus, dass das Original des Faxes unterschrieben war, führt die Nichtzulassung des Vortrags zu einem bedenklichen "kurzen Prozess".

Der Prozessbevollmächtigte muss sich dennoch auf das Phänomen der kontrastarmen Unterschrift einstellen.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Andreas Geipel, München

ZAP F., S. 651–652

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