Die Entscheidung des BAG vom 19.7.2016 (2 AZR 637/15, NZA 2017, 116) betraf die gegenüber der Lehrerin eines Berufskollegs ausgesprochene Kündigung des Schulträgers, die auf Druck von Teilen der Belegschaft – die anderenfalls ankündigten, selbst zu kündigen – erfolgte. Aufgrund der Abfassung des Dienstvertrags konnte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich nur bei Vorliegen von Entlassungsgründen gem. § 34 Abs. 1 des Beamtengesetzes NRW beendet werden.

Die Klage gegen die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche fristlose, hilfsweise außerordentlich mit "sozialer" Auslauffrist ausgesprochene Kündigung hatte in allen Instanzen Erfolg.

Die Zurückweisung der Revision stützt das BAG zunächst darauf, dass die Berufung der Beklagten nicht ausreichend begründet und damit unzulässig war. Die Vorinstanz hatte ihre Entscheidung auf mehrere, voneinander unabhängige, das Urteil selbstständig tragende, rechtliche Erwägungen gestützt. In diesem Fall muss die Berufungsbegründung das Urteil in all diesen Punkten angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig, da der Angriff gegen eine der Begründungen nicht ausreicht, um die Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen.

Das BAG hält die Revision auch bei materiell-rechtlicher Prüfung des Berufungsurteils für unbegründet, da die Voraussetzungen einer echten Druckkündigung nicht vorlägen. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG kann das ernstliche Verlangen eines Dritten, der unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordert, auch dann einen Grund zur Kündigung bilden, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung fehlt. Allerdings unterliegt eine solche "echte" Druckkündigung – unabhängig von ihrer rechtlichen Einordnung als betriebsbedingte – strengen Anforderungen (s. bereits BAG NZA 2014, 109). Insbesondere darf der Arbeitgeber einem Kündigungsverlangen seitens der Belegschaft oder eines Teils der Mitarbeiter nicht ohne Weiteres nachgeben. Er hat sich vielmehr schützend vor die Betroffenen zu stellen und alles Zumutbare zu versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Nur wenn trotz solcher Bemühungen die Verwirklichung der Drohung in Aussicht gestellt wird und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein, wobei die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel sein muss, um die Schäden abzuwägen. Zu berücksichtigen ist bei dieser Beurteilung auch das eigene Verhalten des Arbeitgebers, der sich etwa nicht auf eine Drucksituation berufen kann, die er selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat, so, wenn er für die ablehnende Haltung der Belegschaft gegenüber den Arbeitnehmern selbst den Anlass gegeben hat (s. bereits BAG NZA 2014, 109). Den in der Literatur teilweise vorgebrachten Bedenken gegen die Druckkündigung (s. etwa Hamacher NZA 2014, 134) folgt das BAG nicht.

Aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten geht das BAG davon aus, dass die Beklagte nicht alles Zumutbare versucht hat, um die druckausübenden Arbeitnehmer von ihrem Kündigungsverlangen abzubringen. Das Berufungsgericht hatte als zusätzliche Begründung für die Zurückweisung der Berufung dem Arbeitgeber vorgehalten, er habe es unterlassen, ein Mediationsverfahren durchzuführen. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Möglichkeit einer Mediation für die materielle Rechtfertigung einer Druckkündigung Bedeutung gewinnen können, hat das BAG noch nicht entschieden. Im Schrifttum und von den Instanzgerichten wird zum Teil die Auffassung vertreten, jedenfalls das Angebot zur Durchführung einer Mediation sei zu den Bemühungen zu rechnen, die Arbeitgeber im Einzelfall ergreifen müssen, um einem unberechtigten Kündigungsverlangen Dritter entgegenzutreten. Das BAG führt aus, für diese Ansicht spreche im Ausgangspunkt der Ausnahmecharakter der echten Druckkündigung, die nur gerechtfertigt ist, wenn sie sich als "letzter Ausweg" zur Abwendung eines dem Arbeitgeber andernfalls drohenden massiven Schadens darstellt. Das Gericht verweist insofern auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der das gesamte Kündigungsrecht beherrscht, und auf die Vorschrift des § 241 Abs. 2 BGB (Pflicht zur Rücksichtnahme). Allerdings soll das Unterlassen eines Angebots auf Durchführung einer Mediation jedenfalls dann keinen Einfluss auf die Wirksamkeit einer Druckkündigung haben, wenn der Arbeitgeber aufgrund ihm im Kündigungszeitpunkt bekannter Umstände annehmen durfte, eine der Konfliktparteien werde sich an der freiwilligen Teilnahme an einem Mediationsverfahren ohnehin verschließen. Eine entsprechende Prüfung hatte das LAG nicht vorgenommen.

Zwar kann das ernstliche Verlangen eines Dritten, der unter Androhung von Nachteilen vom Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers fordert, auch dann einen Grund zur Kündigung darstellen, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung für diese Drohung fehlt. Doch unterliegt eine solche "echte" Druckkündigung besonders str...

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