Bekanntlich kann seit dem 27.10.2011 (Gesetz vom 21.10.2011 BGBl I, S. 2082) gegen sog. einstimmige Zurückweisungsbeschlüsse Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt werden. Das ist eine Verbesserung gegenüber dem früheren Rechtszustand, bei dem der Rechtssuchende solchen Zurückweisungsbeschlüssen hilflos ausgeliefert war (vgl. Reinelt, Die unendliche Geschichte – § 522 II ZPO, ZRP 7/2009, S. 203). Anlässlich der Diskussion um das damals in Vorbereitung befindliche Gesetz im Rechtsausschuss des Bundestags im Mai 2011, an der der Unterzeichner beteiligt war, stand auch die Abschaffung des schriftlichen Zurückweisungsverfahrens zur Diskussion. Das wäre die bessere Lösung gewesen (so auch Gehrlein NJW 2014, 3393; Greger BRAK-Mitteilungen 2015, 22). Aber die Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen einstimmige Beschlusszurückweisungen der Berufungsgerichte bedeutet – jedenfalls bei einer Beschwer von über 20.000 EUR (§ 26 Nr. 8 EGZPO) – immerhin eine Verbesserung des Rechtszustands gegenüber der früheren Situation.

Trotzdem: Es bleibt dabei, dass die Regelung insgesamt mehr Schaden als Nutzen stiftet (Greger BRAK-Mitteilungen 2015, 22). Selbst die Apologeten des § 522 Abs. 2 ZPO räumen ein, dass die Zurückweisung, wenn sie richtig und sorgfältig gehandhabt wird, keine Vereinfachung gegenüber dem durch mündliche Verhandlung und Urteil geprägten üblichen Berufungsverfahren bringt (Radke juris jM 2015, 228, 231). Sie fördert statt einer Arbeitserleichterung für Richter und Anwälte nur Justizverdrossenheit der Betroffenen, die den Eindruck haben, einem Berufungsverfahren zweiter Klasse ausgesetzt zu sein (Gehrlein a.a.O., 3398).

In der gesamten Diskussion des Pro und Contra der einstimmigen Beschlusszurückweisung bleibt allerdings bisher eine empfindliche Rechtsschutzlücke des Beschlussverfahrens vollständig unbeachtet.

Ein Zurückweisungsbeschluss, der nach einem entsprechenden Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts ergeht, enthält zwingend – ähnlich wie ein Urteil, wenn auch ggf. in verkürzter Form – als ersten Teil der Entscheidungsgründe (I.) eine – ggf. auch komprimierte – Darstellung des Sach- und Streitstands, die Wiedergabe des vom Erstgericht zugrunde gelegten Sachverhalts und eine Darstellung der Berufungsangriffe mit Anträgen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO). Im nächsten Teil (II.) wird dann begründet, warum die Berufung offensichtlich nach übereinstimmender Meinung der Berufungsrichter keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Beschluss auf Zurückweisung der Berufung ist nach § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO zu begründen, und zwar im Hinweisbeschluss oder im Zurückweisungsbeschluss selber. Der Zurückweisungsbeschluss muss dann außerdem eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen enthalten (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).

Auch wenn die Begründung knapper ausfallen kann als bei einem Berufungsurteil nach § 540 ZPO, ist es unerlässlich, die tatsächlichen Feststellungen der ersten Instanz und den eventuellen neuen Vortrag des Berufungsführers festzuhalten (Zöller/Heßler, 30. Aufl., § 522 Rn. 41). Der wesentliche Tatbestand und die Gründe können allerdings auch im Hinweisbeschluss enthalten sein, auf den der Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts dann Bezug nehmen muss. Im Ergebnis sind die Prozessparteien ebenso wie bei der Entscheidung durch Urteil darauf angewiesen, dass die tatsächlichen Feststellungen und die Anträge vollständig und zutreffend wiedergegeben werden.

Es kommt aber in der Praxis leider immer wieder vor, dass die komprimierte Darstellung des Sachverhalts im Zurückweisungsbeschluss unvollständig oder unzutreffend ist. Das kann zu Problemen führen. Denn der zusammengefasste Sachverhalt ist die Basis der Entscheidung des BGH über eine eventuelle Nichtzulassungsbeschwerde (§ 559 ZPO). Deshalb wird eine von der fehlerhaften Sachverhaltsdarstellung oder von fehlerhafter Wiedergabe von Anträgen betroffene Partei eine Berichtigung des im Berufungsbeschluss dargestellten Sachverhalts zu erreichen versuchen. Dafür gibt es die Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO.

In einem Fall vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht spielte für die Frage der Geltendmachung der Ansprüche des Klägers eine entscheidende Rolle, wann der Verkauf eines Grundstücks erfolgt war. Dazu fand sich im Zurückweisungsbeschluss folgende Feststellung: "Der Verkauf des Grundstücks war im Jahre 2008 ... ".

Das war unzutreffend. Die Klagepartei hatte das auch nie so vorgetragen. Tatsächlich erfolgte der Verkauf – streitentscheidend – erst im Jahre 2009. Auf den entsprechenden Fehler weist der Prozessbevollmächtigte des Klägers hin und verbindet dies mit einem entsprechenden Tatbestandsberichtigungsantrag.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht verwirft aber den Tatbestandsberichtigungsantrag als unzulässig (Beschl. v. 21.5.2015 – 5 U 203/14). Die Begründung: Der Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO unterliegt grundsätzlich nicht der Tatbestandsbericht...

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