Die Bestellung zum Pflichtverteidiger gilt in den Fällen des § 140 Abs. 1 StPO immer, in den Fällen des § 140 Abs. 2 StPO in aller Regel für das gesamte Erkenntnisverfahren. In der Strafvollstreckung, etwa im Verfahren über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, bedarf es dagegen einer neuen Beiordnung (hierzu Hillenbrand ZAP F. 22, S. 799).

 

Hinweis:

Eine Bestellung nach § 140 Abs. 2 StPO kann beschränkt werden, etwa auf den ersten Rechtszug oder auf die Revisionsbegründung (Meyer-Goßner/Schmitt, § 140 Rn. 6). Unterbleibt eine solche Beschränkung, gilt die Beiordnung aber bis zur Rechtskraft des Urteils.

Die Bestellung gilt auch für das Verfahren vor dem beauftragten oder ersuchten Richter (Meyer-Goßner/Schmitt, § 140 Rn. 5). Umstritten ist dagegen, ob auch das Adhäsionsverfahren umfasst ist (dafür OLG Hamburg NStZ-RR 2006, 347; OLG Rostock StV 2011, 656; KK-Laufhütte, § 140 StPO Rn. 4; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., dagegen OLG München StV 2004, 38; OLG Bamberg NStZ-RR 2009, 114; OLG Stuttgart NStZ-RR 2009, 264: ausdrückliche Beiordnung gem. § 404 Abs. 5 StPO erforderlich).

 

Hinweis:

Erfolgt im Strafbefehlsverfahren eine Bestellung gem. § 408b StPO, gilt diese nach wohl h.M. nur bis zur Einspruchseinlegung, nicht aber für die anschließende Hauptverhandlung (KG JurBüro 2013, 381; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 17.9.2014 – 1 Ws 126/14; Meyer-Goßner/Schmitt, § 408b Rn. 6; a.A. OLG Köln StV 2010, 68). Es empfiehlt sich deshalb, in der Einspruchsschrift die Beiordnung für das weitere Verfahren zu beantragen.

Für die Revisionshauptverhandlung wurde nach bisheriger Rechtsprechung ein Verteidiger nur bestellt, wenn ein "schwerwiegender Fall" vorlag (BVerfGE 46, 202) oder die Rechtslage in der Revision besonders schwierig war (BGHSt 19, 258). Die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage vor dem Tatrichter sei hierbei ohne Bedeutung (Meyer-Goßner/Schmitt, § 350 Rn. 7). Diese Rechtsprechung führte dazu, dass nicht wenige Revisionshauptverhandlungen nicht nur in Abwesenheit des Angeklagten, sondern auch ohne Verteidiger durchgeführt wurden.

Diesbezüglich befindet sich die Rechtsprechung jedoch im Wandel: Nach Auffassung des 2. Strafsenats beim BGH genügt die bisherige Praxis nicht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3c MRK. In Anbetracht des Umstands, dass die Revision zum BGH das einzige Rechtsmittel gegen Urteile der großen Strafkammern der Landgerichte und der erstinstanzlichen Senate der Oberlandesgerichte ist, erscheine es nicht vertretbar, den Angeklagten in Hauptverhandlungen ohne jegliche Vertretung und – bei regelmäßiger Abwesenheit des Angeklagten selbst – jedenfalls faktisch ohne rechtliches Gehör zu lassen (BGH NJW 2014, 3527). Teilt ein Wahlverteidiger mit, dass er zur Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht nicht erscheinen werde, ist er daher i.d.R. zum Pflichtverteidiger fuÌ^r die Revisionshauptverhandlung zu bestellen, um die Durchführung des Verfahrens zu sichern (BGH, a.a.O.).

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