Auch wenn der Tatrichter ggf. nach Durchführung einer Beweisaufnahme zum Ergebnis kommt, dass die Eigenbedarfskündigung wirksam ist und diese das Mietverhältnis beendet hat, kann sich der Mieter auf Härtegründe nach § 574 Abs. 1, Abs. 2 BGB berufen, die nach § 574a Abs. 1, Abs. 2 BGB zu einer Fortsetzung des Mietverhältnisses durch richterliches Gestaltungsurteil auf bestimmte oder unbestimmte Zeit führen können (vgl. umfassend hierzu Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 574 BGB Rn 13 ff. und § 574a BGB Rn 2 ff.).

1. Form des Häftefallwiderspruchs

Der Härtefallwiderspruch des Mieters ist nach § 574b Abs. 1 S. 1 BGB schriftlich zu erklären, wobei der Vermieter nach § 574b Abs. 2 S. 1 BGB eine Fortsetzung des Mietverhältnisses trotz vorliegender Härtegründe ablehnen kann, wenn der Mieter nicht spätestens zwei Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses den Widerspruch gegenüber dem Vermieter erklärt hat. Diese Ausschlussfrist gilt nach § 574b Abs. 2 S. 2 BGB nur dann, wenn der Vermieter seinerseits auf die Möglichkeit des Widerspruchs und dessen Form und Frist der Geltendmachung hingewiesen hat (i.d.R. im Rahmen der Kündigung). Fehlt eine solche Belehrung des Vermieters, kann der Mieter seinen Widerspruch auch noch im ersten Termin des Räumungsrechtsstreits erklären.

2. Keine Begründung erforderlich

Der Härtefallwiderspruch des Mieters bedarf keiner Begründung und auch die in § 574b Abs. 1 S. 2 BGB normierte Obliegenheit zur Erteilung von Auskunft über die Gründe des Widerspruchs begründet keinen materiellen Auskunftsanspruch des Vermieters. Eine Verletzung dieser Obliegenheit durch den Mieter kann nur zu Kostennachteilen nach § 93b Abs. 1, Abs. 3 ZPO führen, andere Rechtsnachteile sind damit aber nicht verbunden (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 574b BGB Rn 3).

3. Verspäteter Widerspruch

Ein durch den Mieter verspätet i.S.v. § 574b Abs. 2 S. 1 BGB erhobener Widerspruch ist nur dann für die richterliche Entscheidung beachtlich, wenn der Vermieter die Verspätung einredeweise geltend macht, was sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut ("kann ablehnen") ergibt (einhellige Meinung Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 574b BGB Rn 9 m.w.N.). Im Gesetz nicht geregelt ist der Fall, dass Härtegründe des Mieters vorliegen, die erst nach Ablauf der Frist des § 574b BGB entstanden sind. Nach vorzugswürdiger Auffassung liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, die durch den in § 574 Abs. 3 BGB enthaltenen Rechtsgedanken zu füllen ist, sodass der Mieter wegen solcher Gründe seinen Widerspruch bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erheben kann (so zu Recht Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 574b BGB Rn 10 m.w.N. auch zur Gegenauffassung).

4. Mögliche Härtegründe

Inhaltlich bestimmt § 574 Abs. 1 S. 1 BGB, dass der Mieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann, sofern dessen Beendigung für ihn oder einen Angehörigen seines Haushalts eines Härte bedeuten würde, die unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre. § 574 Abs. 2 BGB bestimmt weiter, dass ein Härtegrund auch dann vorliegt, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.

Die vom Mieter vorzutragenden und ggf. unter Beweis zu stellenden Härtegründe müssen die kündigungstypischen Belastungen wie Mühe und Kosten der Wohnungssuche, des Umzugs und der Herrichtung der neuen Wohnung übersteigen, da diese ein in durchschnittlichen Verhältnissen lebender Mieter hinnehmen muss (BGH, Urt. v. 20.3.2013 – VIII ZR 233/12, NZM 2013, 419 Rn 15). Erforderlich ist jeweils eine auf den Einzelfall bezogene Interessenabwägung, die unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Vertragsparteien vorzunehmen ist, wobei maßgebender Zeitpunkt derjenige der letzten mündlichen Verhandlung ist (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, § 574 BGB Rn 26 f.).

 

Hinweis:

In der Praxis am häufigsten anzutreffen sind mieterseits vorgebrachte gesundheitliche Härtegründe, die auf physischen und/oder psychischen Erkrankungen beruhen und nach regelmäßigem Bestreiten derselben durch die Vermieterpartei unter Beweis gestellt werden müssen.

Nach der neuesten Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 22.5.2019 – VIII ZR 167/17 und VIII ZR 180/18, ZAP EN-Nr. 509/2019 (LS) = ZMR 2019, 668) gilt, dass bei Vorlage eines ärztlichen Attestes durch den Mieter im Räumungsprozess, das eine Unzumutbarkeit eines Umzugs aufgrund einer schweren Erkrankung beinhaltet, auch bei Fehlen eines entsprechenden Beweisantritts ein gerichtliches Sachverständigengutachten von Amts wegen eingeholt werden muss. Auch wenn man diese Entscheidungen vor dem Hintergrund des im Zivilrecht geltenden Beibringungsgrundsatzes durchaus kritisch sehen mag, führen sie dazu, dass in Fällen von Härtegründen des Mieters, die durch ärztliche Atteste untermauert werden zwingend ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen ist.

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