In einem vom IX. Zivilsenat zu entscheidendem Sachverhalt hatte ein Rechtsanwalt ein Mandat mit dem Auftrag übernommen, einen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Anlageberatung gerichtlich geltend zu machen. Obwohl bereits ein akzeptables Vergleichsangebot des Anlageberaters auf dem Tisch lag, drängte der Anwalt den Mandanten mehrfach dazu, eine Auftrags- und Vergütungsvereinbarung mit einer GmbH zu schließen, deren Geschäftsführerin und alleinige Gesellschafterin – was der Mandant nicht wusste – die Ehefrau des Anwalts war. Diese GmbH sollte den Anwalt durch „Recherchehilfe und banktechnische Kompetenz” unterstützen. Der Mandant lehnte einen solchen Vertragsschluss ab und kündigte etwa drei Wochen nach der letzten Aufforderung durch den Anwalt, den Vertrag zu unterzeichnen, den Anwaltsvertrag und beauftragte eine andere Kanzlei. Der BGH lehnte den vom Mandanten begehrten Ersatz der Mehrkosten ab (BGH, Urt. v. 16.7.2020 – IX ZR 298/19, ZAP EN-Nr. 383/2020). Nach Ansicht des Senats steht dem Mandanten nach einer durch ein vertragswidriges Verhalten des Rechtsanwalts veranlassten Kündigung ein Schadensersatzanspruch nur zu, wenn das vertragswidrige Verhalten des Rechtsanwalts einen wichtigen Kündigungsgrund bildet und die insoweit zu beachtende Kündigungsfrist von zwei Wochen (vgl. § 626 Abs. 2 BGB) gewahrt ist.

Die Entscheidung wirft vielfältige Fragen auf und ist im Ergebnis abzulehnen (ausführliche Kritik bei Deckenbrock NJW 2020, 2538). Richtigerweise scheidet ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB schon deshalb aus, weil der „schädigende” Anwalt einwenden kann, er habe das Mandatsverhältnis seinerseits sofort grundlos gem. § 627 BGB beenden können. Die Kündigung des Mandanten kann daher grds. nicht kausal für den entstandenen Schaden gewesen sein. Etwas anderes gilt nur insoweit als der Mandant infolge der vorzeitigen Beendigung des Anwaltsvertrags nach § 628 Abs. 1 S. 3 i.V.m. S. 2 BGB die bereits bezahlte Vergütung zurückverlangen kann. Zu beachten ist dabei, dass nach der Rechtsprechung des IX. Senats zu § 628 Abs. 1 S. 2 BGB eine „vertragswidrige Veranlassung” bei freien Dienstverhältnissen i.S.d. § 627 BGB gerade nicht einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB voraussetzen soll; vielmehr müsse das vertragswidrige Verhalten, das den Anlass für die Kündigung bot, nicht besonders schwerwiegend sein (BGH, Urt. v. 29.3.2011 – VI ZR 133/10). Auch die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB wird in diesem Zusammenhang nicht vorausgesetzt. Wieso der(selbe) Begriff „vertragswidrige Veranlassung” nun im Rahmen von § 628 Abs. 1 und Abs. 2 BGB unter Inkaufnahme eines Wertungswiderspruchs anders ausgelegt werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Der Entscheidung lässt sich leider nicht entnehmen, warum der Mandant die begehrte Rückzahlung des Anwaltshonorars nicht unmittelbar auf § 628 Abs. 1 BGB gestützt hat.

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