Dass die vollständige Digitalisierung aller Abläufe in der Justiz nicht nur eine Sache der Programmierer und der finanziellen Ausstattung der Justizverwaltung ist, sondern noch einiger gesetzgeberischen Anstrengungen bedarf und vor allem auch ein Umdenken in den Köpfen der betroffenen Akteure erfordert, wurde im Rahmen der diesjährigen Legal ®Evolution deutlich, die Anfang Dezember in Darmstadt stattfand. Im Rahmen des wohl wichtigsten Branchentreffens für Innovationen im Rechtsbereich in Europa fand in diesem Jahr auch ein sog. Justizpanel statt, das sich eingehend mit der Digitalisierung bei Gerichten und deren Kommunikation mit den Verfahrensbeteiligten befasste.

Zahlreiche Aussteller aus aller Welt stellten dort ihre technischen Lösungen nicht nur für Kommunikationsvorgänge und Arbeitsabläufe, sondern auch für sog. Legal-Tech-Anwendungen vor, also Software für juristische Standardfälle. Deutlich wurde in den Vorträgen, Diskussionen und Vorführungen, was technisch möglich wäre, wenn die Justiz erst einmal vollständig auf die elektronische Akte umgestellt ist: z.B. die Eintragung von Terminen in die digitalen Kalender der beteiligten Rechtsanwälte, die schnelle Benachrichtigung der Parteien über Entscheidungen und die automatisierte Erstellung der Gerichtskostenrechnungen, die dann genauso unkompliziert elektronisch beglichen werden könnten. Ebenso wäre die einfache Ablage sonst vielfach zu kopierender Dokumente in der "Cloud" realisierbar, auf die alle autorisierten Verfahrensbeteiligten Zugriff haben. Auch die Bereitstellung strukturierter Formulare zum Parteivortrag an die Anwälte, die dem Richter schon vor der ersten Lektüre sowohl den klägerischen wie den Beklagtenvortrag in synoptischer Form aufbereitet gegenüberstellen, wäre eine der vielen digitalen "Dividenden", die denkbar sind.

Die Reaktionen der Diskussionsteilnehmer aus dem öffentlichen Dienst zeigten aber auch auf, dass es bis dorthin wohl noch ein langer Weg werden wird. Derzeit würden die bereits bestehenden Möglichkeiten der digitalen Kommunikation nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft, sagte ein Landgerichtspräsident. Ein OLG-Präsident gab zu bedenken, dass als Minimalbedingung für die beschriebenen digitalen Workflows eine "Rechtsklausel" erforderlich wäre, die die neuen Kommunikationsarten überhaupt erst zulasse. "Es fehlt völlig am großen Wurf einer digitalen Prozessordnung", so sein Fazit. Ein anderer wies auf den Generationenunterschied innerhalb der Justiz hin: Manche unter den altgedienten Richtern würden nur die Papierakte kennen und sich offensichtlich auch nicht mehr umstellen wollen. Selbst einer der aufgeschlossenen Diskussionsteilnehmer aus der Richterschaft resümierte, dass es wohl noch viel Zeit und Geld erfordere, um hier eine ganz neue Struktur zu schaffen.

[Red.]

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