Praxisrelevant sind auch Widerrufsfälle wegen zweifelhafter Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers.

 

Beispiel:

Oma O. erteilt ihrer Schwester S. und ersatzweise deren Ehemann G. eine Generalvollmacht. Später widerruft sie diese Generalvollmacht schriftlich. Das zuständige Amtsgericht leitet ein Betreuungsverfahren über O. ein. S. und G. wehren sich dagegen mit der Beschwerde zum LG.

In letzter Instanz hatte der BGH (Beschl. v. 19.8.2015 – XII ZB 610/14, NJW 2016, 159) zu klären, ob der Widerruf rechtswirksam erfolgt ist oder nicht. Denn auch er setzt als geschäftsähnliche Handlung wie die Ausfertigung der Vollmacht die Geschäftsfähigkeit des Handelnden (BGH, Beschl. v. 3.2.2016 – XII ZB 425/14, MDR 2016, 464 m.w.N.) – hier O. – voraus. Da die Geschäftsfähigkeit der O. zwar zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht, nicht aber zum Zeitpunkt des Widerrufs geklärt werden konnte, könnte eine wirksame Vollmacht weiterhin vorliegen, wenn O. bei ihrem Widerruf geschäftsunfähig gewesen sein sollte. Da sich dies nicht eindeutig klären ließ, bestätigt der BGH die Einsetzung einer gerichtlichen Betreuung. Denn: "Die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr wird (...) eingeschränkt, wenn Zweifel an der Wirksamkeit des Widerrufs verbleiben" (vgl. ebenso BGH, Beschl. v. 17.2.2016 – XII ZB 498/15, MDR 2016, 463 f.; v. 3.2.2016 – XII ZB 425/14, MDR 2016, 464).

Zusammengefasst gilt: Trotz Erteilung einer Vollmacht ist die Anordnung einer Betreuung durch das Betreuungsgericht möglich und geboten, wenn die Wirksamkeit der vorgelegten Vollmacht zweifelhaft ist, wenn die erteilte Vollmacht den Anforderungen an eine Vorsorgevollmacht nicht genügt oder wenn der Bevollmächtigte die Vollmacht zum Nachteil des Betroffenen missbraucht hat (OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.3.2005 – 11 Wx 3/05, NJW 2005, 1587 m.w.N).

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